Langjähriges Herdenschutzmonitoring zeigt, dass wenn es trotz Herdenschutzmassnahmen zu Wolfsübergriffen kommt, der Wolf meist an beliebiger Stelle eine Schwachstelle gefunden hat. Nur in den seltensten Fällen hat er gelernt, gut umgesetzte Schutzmassnahmen gezielt zu umgehen (z. B. Zäune zu überspringen).
Die Umsetzung von wirkungsvollen Herdenschutzmassnahmen ist für den Halter von Nutztieren im Stammterritorium der Wildtiere immer mit einem Mehraufwand, Kosten und vor allem auch mit einem Lernprozess verbunden. Der Staat greift ihnen dabei grosszügig unter die Arme. Nutztiere, wie Schafe, denen ein natürliches Flucht- und Abwehrverhalten weg gezüchtet oder Rinder, denen die Hörner zur Verteidigung weggebrannt wurden.
Die schönsten und artenreichsten Orte findet man in der Schweiz dort, wo die Hobby-Tierhalter abgewandert sind, zum Beispiel im Nationalpark oder Centovalli.
Der Wechsel von der Vieh- zur Wildtierweide führte zu einer völlig neuen Artenvielfalt, teils bis zu einer Verdoppelung.
Alle sind sich einig, dass der Lebensraum für Wildtiere immer kleiner wird und der Lebensraum der Nutztiere längst extrem schädliche Dimensionen erreicht hat, wie zum Beispiel die Verseuchung des Trinkwassers, Klimas oder Ackerlandes.
Die Biomasse ist komplett aus dem Gleichgewicht. Das bedeutet, der Mensch (34 %) und seine meist unter nicht artengerechten Umständen gezüchteten Nutztiere (65 %) für den ungesunden Fleischkonsum stehen gegenüber den Wildtieren im Verhältnis 99 % zu 1 %! Eine Unverhältnismässigkeit sondergleichen, die uns zu denken geben sollte.
Wohnbevölkerung Schweiz 31.12.2022 | 8’815’400 (34 %) |
Nutztiere: Rinder, Pferdegattung, Schafe, Ziegen, Hühner, Schweine 9.5.2023 | 16’526’549 (65 %) |
Wildtiere: Reh, Hirsch, Gams 1.4.2021 | 265’585 (1 %) |
Total | 25’607’534 (100 %) |
Schlachtzahlen: Rinder, Kälber, Schweine, Schafe, Ziegen, Pferde, Geflügel, Kaninchen, Wild 31.12.2022 | 84’122’130 |
Rund 200’000 Schafe werden jährlich für ein paar Monate in die Berge gekarrt, was den Steuerzahler dutzende Millionen Franken an Subventionsbeiträgen kostet. Dort stecken sie die Wildtiere regelmässig mit Krankheiten wie die Gamsblindheit an. Wieso kann sich jeder Hobby-Tierhalter im Wildtier-Territorium breit machen und meinen, er müsse sich nicht der Natur anpassen? In der Kulturlandschaft schützen zudem immer noch Bäume am besten vor Lawinen oder Muren und nicht von Nutztieren zertrampelte, artenarme Matten. Alljährlich verenden Tausende Schafe, Ziegen, Kühe während der Sömmerung, auch aufgrund mangelnder Behirtung.
Nach dem schockierenden UNO-Bericht zum Artensterben im Frühling 2019 fällt der Blick auf die Schweiz. Der Anteil der bedrohten Arten ist in keinem Land der Welt so gross wie in der Schweiz. Über ein Drittel der Pflanzen, Tiere und Pilzarten gilt als bedroht. Die Schweiz ist europaweit beim Ausscheiden von Schutzflächen für die Biodiversität ebenfalls Schlusslicht.
Die Aufgabe der Schafbeweidung oberhalb der Baumgrenze kann ein grosser Gewinn für die Biodiversität sein. Bestände vieler Wildpflanzen und Insekten wie Schmetterlinge können sich erholen. Dadurch entschärft sich auch die Problematik der Tierhalter mit dem Wolf.
IG Wild beim Wild
Unterhalb der Baumgrenze reicht es nicht, einfach zwei Herdenschutzhunde in die Herde zu stellen. Da braucht es weit mehr. Der Tierhalter muss den Hunden auch die richtigen Voraussetzungen schaffen, damit diese die gesamte Herde schützen können.
In den ersten Jahren, also in der Aufbauphase des Herdenschutzes, werden oftmals noch Fehler begangen. Grösstenteils werden die Herden zu wenig homogen geführt, oder es werden zu wenig Herdenschutzhunde für die Anzahl Schafe und Grösse des Weidegebietes eingesetzt, sodass die Herdenschutzhunde keine Chance haben, die gesamte Herde gleichzeitig zu schützen. Vor allem bei schlechten Wetter-, Sicht- und Windverhältnissen können Wölfe dann ganz einfach einzelne Schafe abseits oder am Rande der Herde erbeuten.
Wenn die Schafe tagsüber auf einer zu grossen Fläche verstreut sind, hat der Hirte auch Mühe, sie abends alle zu finden und in den schützenden Nachtpferch zu treiben. In der Folge verbringen dann einzelne Schafe die Nacht völlig ungeschützt, weit abseits des Pferchens und ausserhalb des Wirkungsbereiches der Schutzhunde. Um solche Tiere zu erbeuten, benötigt der Wolf keine Herdenschutzmassnahmen zu umgehen. Für diese Schafe ist dann schlicht kein Herdenschutz vorhanden.
Regelmässig werden gravierende Fehler und Mängel bei der Zäunung gemacht. Damit ein Wolf einfach unter dem Zaun durchschlüpfen kann, reicht es schon, wenn der Zaun nur an einer einzigen Stelle einen ungenügenden Bodenabschluss aufweist. Dies, wenn z. B. über einen kleinen Bach oder eine Mulde gezäunt wird.
In sehr vielen Fällen ist die Elektrifizierung mangelhaft und deren Effekt für die Wolfsabwehr deshalb schlecht bis wirkungslos. Häufig wird die Erdung und die Erdverbindungen schlecht ausgeführt oder ein alter und zu schwacher Viehhüter eingesetzt. Auch wird zu wenig auf Erdschlüsse durch Bewuchs geachtet, die dann vorwiegend bei Nässe die Wirksamkeit der Elektrifizierung massiv vermindern.
Grosse Felsbrocken direkt am Zaun können dem Wolf als einfacher Übergang, so zu sagen als Sprungbrett dienen, um einfach in die Weide zu gelangen.
Wölfe beobachten aufmerksam und testen immer wieder und finden und nutzen jede sich bietende Schwachstelle im Schutzsystem. Um solche Schwachstellen bei Zäunen und im gesamten Schutzsystem zu erkennen, braucht es Erfahrung, eine Situation und Massnahmenbeurteilung aus Sichtweise des Wolfes und damit Know-how über die Lebensweise und das Verhalten des Wolfes. Erkennt man die Schwachstellen, können sie meist mit einfachen Mitteln behoben werden und Schäden könnten so vermieden werden.
Nach Herdenschutzrichtlinien des Bundes benötigt es für 900 Schafe 5 Herdenschutzhunde. Von den Kantonen werden die Schutzmassnahmen jedoch oftmals falsch und als ausreichend beurteilt, was dazu führte, dass Wölfe zum Abschuss freigegeben werden. Es sollten jedoch nur diejenigen Wölfe geschossen werden, welche wirklich gelernt haben, gut umgesetzte Herdenschutzmassnahmen zu umgehen. Unschuldige Wölfe sollten nicht mit ihrem Leben bezahlen müssen, nur weil die Tierhalter Fehler machen oder nicht gewillt sind, seriösen und wirkungsvollen Herdenschutz umzusetzen.
Dass Herdenschutz funktioniert und machbar ist, zeigen alle Hirte, welche zum Teil schon seit Jahren mitten im Wolfsgebiet sehr erfolgreich Herdenschutzmassnahmen umsetzen, erklärt chwolf.ch.
Die Regulierung des Rudels erfolgt über die Jungtiere
Europaweit ist der Wolf ein streng geschütztes Tier. Es ist erschreckend, wie wenig Gehör die Schweiz praktischen Erfahrungen und Studien schenkt, und sich stattdessen vom Druck von Einzelinteressen, auch aus dem militanten Hobby-Jäger-Milieu leiten lässt. Die Schweiz tritt, sowohl auf Gesetzesebene als auch auf Verordnungsebene, diesen Schutzstatuts mit den Füssen. Die Schweiz hat auch die Berner Konvention unterschrieben. Ein genereller Abschuss von Wölfen, um die Population zu verringern, ist nach aktuell geltendem Recht nicht zulässig, denn der Wolf steht unter strengem Naturschutz. Nur in Ausnahmen dürfen einzelne Tiere von den Behörden zum Abschuss freigegeben werden.
Der Wolfsschutz soll in der Schweiz nicht gelockert werden. Das hat das Stimmvolk im Herbst 2020 beschlossen. Das zuständige Bundesamt für Umwelt (Bafu) scheint der Volkswille aber sowenig wie der Bundesrat zu kümmern.
Der normale – nicht hobby-jäger-geprägte – Menschenverstand fragt sich, wie soll ein Rudel durch Abschüsse deren Jungtiere lernen, was Elterntiere vor Wochen an einem für sie unbekannten Ort provoziert haben? Auf welche pädagogischen oder wild biologischen Erfahrungen beziehen sich diese Entscheidungsträger? Wie sollen die Wölfe diese Abschüsse ihrer Familienmitglieder richtig zuordnen, wenn Heckenschützen sie in einer anderen Lokalität Wochen oder Monate später terrorisieren? Und warum werden unschuldige Jungtiere abgeschossen, wo doch der Täter ein ganz anderer ist, der selbst nach den Abschüssen der Jungtiere, sein schadenstiftendes Verhalten weitergeben kann? Wissenschaft geht anders! Solch dilettantisches Vorgehen ist näher bei der Wilderei als dem Sachverstand.
Es hat sich in der Literatur weltweit unter Fachleuten längst erwiesen, dass Abschüsse keinerlei „erzieherische“ Wirkung auf Wölfe haben können. Diejenigen, die solch eine Entscheidung fällen, sollten erst einmal studieren, wie ein Wolf (oder ein Hund) Ereignisse und Erfahrungen verknüpft.
Mehrwert:
- Zu viele Schafe schaden der Biodiversität
- Landwirtschaftliche Nutzung zerstört Alpwiesen
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- Der faule Apfel in der St. Galler Jagdverwaltung
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Interessen-Gemeinschaft Wild beim Wild
Die IG Wild beim Wild ist eine gemeinnützige Interessen-Gemeinschaft, die sich für die nachhaltige und gewaltfreie Verbesserung der Mensch-Tier-Beziehung einsetzt, wobei die IG sich auch auf die rechtlichen Aspekte des Wildtierschutzes spezialisiert hat. Eines unser Hauptanliegen ist, in der Kulturlandschaft ein zeitgemässes und seriöses Wildtiermanagement nach dem Vorbild vom Kanton Genf einzuführen – ohne Hobby-Jäger aber mit integren Wildhütern, die den Namen auch verdienen und gemäss einem Ehrenkodex handeln. Das Gewaltmonopol gehört in die Hände des Staates. Die IG unterstützt wissenschaftliche Methoden der Immunokontrazeption für Wildtiere.