Die Alpen wurden schon sehr früh von Wildbeutern genutzt.
Die Almwirtschaft kam spät, das war noch im Hochmittelalter so, dass es zwar Wege hinauf gab, aber eine ganzjährige oder zumindest saisonale Nutzung im Sinne der Bauern war selten. Das hatte verschiedene Gründe, zum einen fehlte das Wasser, weil es ohnehin eine Warmzeit war und erst nach dem 13. Jahrhundert interessant wurde. Der andere war der Mangel an Menschen. Erst im späten Frühmittelalter wurden Goten und Germanen durch besondere Förderung hergelockt. Es dauerte, bis sie sich von den Erträgen der Felder und Weiden ausreichend ernähren konnten. Sie durften Wild jagen. Das fehlte dann den Beutefreifern. Das führte dann nach der Pest dazu, dass Wildtiere/Beutegreifer vermehrt gejagt wurden, weil es nun auch vermehrt Milchwirtschaft gab. Vorher dominierten Getreide mit relativ schlechten Erträgen, da die Böden oft nicht viel hergaben. Da halfen auch keine Bewässerungssysteme. Ein Grund, warum man gerne Wälder rodete, um damit Geld zu verdienen, um Importe bezahlen zu können. Dies war dort interessant wo geflösst werden konnte oder im Winter mit Rutschen gearbeitet wurde.
Wolf, Luchs und Bär, aber auch Geier und Adler waren häufig anzutreffen. An Arten mangelte es nicht. Zudem war die Jagd später mehrheitlich der Obrigkeit vorbehalten. Die Wiesen hoch über der Baumgrenze waren für manches Wild wichtig, weil die Beutegreifer dort mehr Mühe hatten, Beute zu schlagen.
Dass in der Schweiz so viele Schafe und Ziegen (meist mit Hobby-Charakter) gehalten werden, ist ebenso wie die freie Weidehaltung ein junges Phänomen. In anderen europäischen Ländern ist die ständige Behirtung mit Hüte- und Treibhunden eine jahrhundertealte Tradition.
Seit Schafe im 20. Jahrhundert ganze Sommer lang unbehirtet durch die Schweizer Alpen streifen, wird als Kollateralschaden in Kauf genommen, dass unzählige Tiere jedes Jahr durch Absturz, Steinschlag, Blitzschlag, Krankheit, Verlust oder Parasiten den Tod finden. Konkret starben zwischen 4’000 bis 6’000 Alpschafe während der Sömmerung.
Der Wolf brachte ein Umdenken. Weideten vor 20 Jahren noch 60 % der Schafe völlig frei und unkontrolliert in den Alpen – mit den bekannten negativen Folgen für die Biodiversität –, sind es heute lediglich noch 16 %. Die übrigen Schafe sind mittlerweile behirtet und eingezäunt. Diese Massnahmen, die eigentlich zum Schutz der Schafe vor dem Wolf ergriffen werden, schaffen zugleich die Voraussetzung, dass die Schafsömmerung ökologisch verträglicher wird, erklärt David Gerike von Gruppe Wolf Schweiz.
Das natürliche Weideverhalten der Schafe wirkt sich nämlich negativ auf die Artenvielfalt aus. Der Wolf hat hier zu einer positiven Entwicklung geführt.
Das Schaf und mehr noch die Ziege sind Feinschmecker. Sie suchen sich die besten Kräuter und Gräser aus und fressen diese besonders gründlich. Wenn man sie lässt, gehen sie dem frischen Gras nach, und das steht im Sommer in den höchsten Lagen.
Für die botanische Vielfalt ist dieses Weideverhalten leider negativ. Botaniker bestätigen, dass Schafweiden relativ artenarm sind. Ebenso ist bekannt, dass Schafe exponierte, windige Lagen bevorzugen, weil es dort am wenigsten lästige Insekten gibt. Leider finden sich gerade an diesen Stellen besonders empfindliche Vegetationstypen.
In keinem anderen Land ist der Anteil bedrohter Arten höher als in der Schweiz, sagt ein UNO-Bericht. Mehr als ein Drittel der Pflanzen-, Tier- und Pilzarten gelten als gefährdet. Betroffen sind Insekten, wichtige Bestäuber wie Bienen, aber auch Vögel, Reptilien, Fische und grössere Tierarten wie Luchs oder Wolf, die die Schalenwildbestände in unseren Wäldern regulieren sollen.
Frei weidende Schafe wären nur dann ökologisch verträglich, wenn sie sehr wenige wären und sich gleichmässig über die Weidefläche verteilen würden. Beides entspricht leider nicht der Realität: Ökonomische Zwänge in der Landwirtschaft führen zu grossen Herden. Und das Herdentier Schaf will sich aufgrund seines Herdentriebes partout nicht gleichmässig verteilen. Deshalb sind frei weidende Schafe in den Alpen leider nie förderlich für die Artenvielfalt.
Die meisten Schafalpen liegen hoch, sehr hoch. Nämlich oberhalb der natürlichen Waldgrenze. Dort gibt es Almwiesen, die auch ohne Beweidung Almwiesen bleiben. Dass alles verbuscht und verwaldet, sobald die Schafe weg sind, ist eine immer wieder verbreitete Lüge der Vertreter der extrem übersubventionierten Landwirtschaft. Wegen der Schafe gibt’s massenhaft Gämsblindheit zum Beispiel in der Surselva. Oberhalb der natürlichen Waldgrenze braucht es keine Beweidung, da die alpinen Rasen aus klimatischen Gründen nicht einwachsen können.
Damit Schafe für die Biodiversität wirklich förderlich sind, müssen sie konsequent gelenkt werden: Die Weidedauer muss begrenzt werden (nicht zu kurz, nicht zu lang), die Schlafplätze müssen gezielt ausgewählt werden, auch Altgrasbestände müssen beweidet werden, empfindliche Pioniervegetation muss von der Beweidung ausgenommen werden. Das alles machen die Schafe leider nicht von selbst. Dazu braucht es Fachleute, die seit Jahrtausenden Hirten genannt werden. Und für deren Rückkehr hat der Wolf gesorgt. Denn wo der Wolf geht, geht auch der Hirte.
Die treibende Kraft hinter dieser positiven Entwicklung ist zweifelsfrei der Wolf. Ohne ihn wäre die Behirtung und Einzäunung der Schafe nie in diesem Ausmass vorangetrieben worden. Ihn für den Biodiversitätsverlust verantwortlich zu machen, entspricht nicht den Tatsachen. Der Wolf ist vielmehr ein Förderer der Biodiversität im Berggebiet, indem er einen notwendigen Strukturwandel vorantreibt. Die Zeit der Schaf-Romantik ist vorbei.
Die heutigen Kuh- und Schafweiden sind mit zu vielen Tieren bestossen, so dass die Artenvielfalt massiv abnimmt. Artenarme Fettwiesen in den Alpen sind das absolute Gegenteil dessen, was die Natur braucht. Sie sind komplett unnatürlich und fördern zudem Bodenerosion und Lawinenabgänge.
Und die darauf betriebenen Alpwirtschaften sind hoch defizitär, und wären ohne massivste, biodiversitätsschädigende Subventionen aus Bern längst eingestellt worden.
Der Schutzwald profitiert überregional von der Präsenz des Wolfes. Wolf und Hirsch haben sich über eine Jahrhunderttausende währende Evolution gemeinsam entwickelt und aneinander angepasst. Sie gehören zusammen, schreibt Pro Natura.
Was der Natur mit Abstand am meisten hilft ist die natürliche Alpen-Flora und -Fauna wie in den Nationalparks.
Mehrwert:
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