Rumänische Bauern verteufeln den Schakal: Er reisse grosse Mengen Vieh.
Tatsächlich breitet sich der Goldschakal in ganz Europa aus. Doch was sind die Gründe dafür? Und ist der Schakal wirklich so gefährlich?
Rumänische Bauern fühlen sich bedroht
„Die Schakale werden immer frecher, sie haben keine Scheu mehr, sie schauen dich an und fordern dich heraus“, schimpft der Bauer Vasile Staicu aus dem Donaudelta. Wenn es nach ihm ginge, hätte hier inzwischen jeder ein Gewehr, um jeden Schakal, der ihm über den Weg läuft, sofort zu erlegen.
Normalerweise ist die Jagd nur in organisierten Gruppen erlaubt, mit einer Genehmigung, die jeweils für drei Tage gilt. „25 Kälber haben mir die Schakale allein in diesem Jahr gerissen, im vergangenen Jahr waren es 40“, klagt Staicu, der eine stattliche Herde von 500 Rindern hält. „Zehn Hühner haben sie mir gefressen“, fährt er fort.
Über hunderttausend Schakale in ganz Europa
In Rumänien wie auch in anderen Teilen Europas breiten sich die Goldschakale aus. Auf 117’000 Exemplare in ganz Europa schätzt das Expertennetzwerk Large Carnivore Initiative for Europe ihre Zahl im Jahr 2019. Auch in der Schweiz kommen sie – vergleichsweise selten – vor. Und selbst im kälteren Skandinavien wurden schon welche gesichtet.
In Rumänien sollen es derzeit fast 29’000 sein. Der Klimawandel habe sie hierher gebracht, erklärt Mihai Marinov, Biologe am Donaudelta-Forschungsinstitut in Tulcea, der grössten Stadt der Region. Seit etwa zehn Jahren würden sie vor allem auf Bauernhöfen im Donaudelta grosse Schäden anrichten.
Goldschakal frisst eigentlich lieber Ratten
Doch warum breitet sich der Schakal ausgerechnet in Rumänien so stark aus? Erklärungsversuche gibt es viele. Traditionell laufen im Donaudelta Rinder, Schafe und Nutzgeflügel frei und unbewacht auf den Weiden herum. Laut Ökologe Ovidiu Banea der Hauptgrund für die rasante Vermehrung der Schakale.
Aber auch in mitteleuropäischen Ländern ist diese Art der Tierhaltung üblich. Raubtiere sind jedoch nicht die Hauptnahrung der Goldschakale. Der Schakal, der auch Aas und Pflanzen frisst, jagt eher kleinere Säugetiere wie Mäuse und Ratten. Das erklärt die Schakalforscherin Jennifer Hatlauf.
Eine Kuh ist ihm meist eine Nummer zu gross, an ein neugeborenes Kalb traut er sich schon. Der Schakal wiegt bis zu zehn Kilogramm. Er ist grösser als ein Fuchs, kleiner als ein Wolf und geht meist nachts im Familienverband auf die Jagd.
Sind die Schakale wirklich schuld?
Andere Experten glauben, dass es am chaotischen Umgang mit Tierabfällen in Rumänien liegt. Offen herumliegende Kadaver ziehen Schakale an. Gleichzeitig könnten die Bauern die “Plage” aber auch schlimmer darstellen, als sie ist. „Sie dämonisieren die Schakale“, sagt Marinov. So könnten zum Beispiel auch Rotfüchse für die Risse verantwortlich sein.
Die Jagd als Mittel gegen Schakale hält der Biologe jedoch für völlig ungeeignet, ja sogar für kontraproduktiv: „Wenn ihre Zahl künstlich reduziert wird, bekommen sie einfach mehr Junge.“ Das belegen die Zahlen sowohl aus Bulgarien als auch aus Rumänien eindeutig.
Liegt es am Verschwinden der Wölfe?
Viorel Rosca, Direktor des an das Donaudelta angrenzenden Nationalparks Macin-Gebirge, sieht das ganz anders. Die Bauern seien unschuldig, weil sie jahrhundertealten Traditionen der Viehzucht folgten. Nie zuvor habe es so grosse Probleme mit Schakalen gegeben.
Als Ursache für die Überpopulation der Schakale sieht Rosca das Verschwinden der Wölfe, die während des Kommunismus im Delta durch Jagd fast ausgerottet wurden. Deshalb will er nun Wölfe ansiedeln, damit diese die Schakale vertreiben. Wissenschaftler sind sich einig, dass Schakale und Wölfe um fast die gleiche Beute konkurrieren.
Den Dämon vertreiben und die Mutter holen
Schakale meiden Wölfe, weil sie sich instinktiv von ihnen bedroht fühlen. Aber ebenso einig sind sich die Experten, dass ein Wolf wohl kaum einen Schakal fressen würde. Der Forscher Marinov bezweifelt, dass die Ansiedlung von Wölfen sinnvoll ist. Rinder und Schafe würden durch Wölfe erst recht gefährdet, meint er. Ähnlich sieht es der Bauer Staicu: “Das wäre so, als würden wir den Teufel vertreiben und dafür seine Mutter bekommen.