In einer beschämenden Pressemitteilung warnt der Landkreis Mittelsachsen vor der Ausbreitung von Waschbären und bezeichnet die Tierart als „Problembären“.
Sie würden das ökologische Gleichgewicht gefährden und den Bestand von Singvögeln bedrohen. Die Tierrechtsorganisation kritisiert den Aufruf des Landkreises und weist die Vorwürfe gegen die Tierart als unbegründet zurück. Einer langjährigen wissenschaftlichen Studie in ostdeutschen Ökosystemen zufolge geht von Waschbären keine Gefahr für die Artenvielfalt aus. Sie ernähren sich überwiegend von Regenwürmern, Insekten oder Obst. Die Tierrechtsorganisation forderte Mario Helbig, Leiter des Referats Forst, Jagd und Landwirtschaft, auf, seinen aktuellen Aufruf an Privatpersonen zurückzunehmen. In diesem rät er, Waschbären mit Lebendfallen zu fangen und von einem Hobby-Jäger töten zu lassen.
Wir sind erstaunt, dass der Leiter des Forstreferats in Unkenntnis des aktuellen Forschungsstands Waschbären verunglimpft. Das kennen wir sonst nur vom Jäger-Stammtisch. Eine wissenschaftliche Grundlage liegt dafür nicht vor. Natürlich ist es bequem, eine Tierart zum Buhmann zu erklären. Dabei ist die verfehlte Umwelt- und Landwirtschaftspolitik der eigentliche Grund für die Bedrohung vieler Tierarten in Deutschland. Wir plädieren für mehr Sachlichkeit in der Debatte und einen Stopp der Jagd auf Waschbären.
Dr. Yvonne Würz, Biologin und Fachreferentin bei PETA
Im Rahmen einer mehrjährigen Forschungsarbeit von Dr. Berit A. Michler wurde der Einfluss von Waschbären auf die Artenvielfalt in zwei unterschiedlichen ökologischen Habitaten in Mecklenburg-Vorpommern untersucht: ein Wirtschaftswald unweit von Neustrelitz sowie ein naturnahes feuchtes Mischwaldareal im Müritz-Nationalpark, das viele seltene Arten beherbergt. Die Ergebnisse dieser in Europa einmaligen Studie lassen aufhorchen: Bedrohte Arten gehören so gut wie nicht zum Nahrungsspektrum des Waschbären. Ein negativer ökologischer Einfluss wurde verneint.
Es ist längst wissenschaftlich erwiesen, dass die Waschbär-Jagd die Reproduktion ankurbelt, dazu die Altersklassen und die Sozialstrukturen zerstört. Der Versuch Waschbären durch Bejagung zurückzudrängen, gilt inzwischen als aussichtslos und gescheitert.
Mit Hilfe ihrer sehr sensiblen Vorderpfoten nehmen sie bei der Nahrungssuche eine ökologische Nische ein, die vorher nicht besetzt war. Sie stellen somit keine Nahrungskonkurrenz zu anderen, heimischen Arten dar, heisst es zum Beispiel in einer Infobroschüre des Berliner Senats.
Um einer Überpopulation zu verhindern, kann auch die Möglichkeit nach einem oralen Verhütungsmittel geprüft werden.
Lebendfallen verursachen grosses Tierleid
Die Tierrechtsorganisation kritisiert zudem den Aufruf des Landratsamtes zur Jagd mit Lebendfallen – insbesondere durch Privatpersonen. Lebendig gefangen zu werden, verursacht bei vielen Wildtieren hohen Stress und erhebliches Leiden. Sie geraten oft in Panik, wenn sich die Falle schliesst und ziehen sich bei verzweifelten Fluchtversuchen oftmals schwere Verletzungen zu – bis hin zum Tod durch Kreislaufversagen. Nicht selten werden die Tiere darin auch einfach „vergessen“ und sterben einen langsamen Tod.
Mehrwert:
- Fakten statt Jägerlatein über Waschbären
- Auch Waschbären haben ein Recht auf Leben
- Der Umgang mit „invasiven“ Arten – eine kritische Analyse aus biologischer und rechtlicher Sicht
- Neozoen
Die Nachricht geht direkt an das Referat Forst, Jagd und Landwirtschaft: umwelt.forst@landkreis-mittelsachsen.de