Tierwelt

Rinder leiden unter Tierquälerei

Kälber sollten in den ersten Lebenswochen in kleinen Gruppen untergebracht werden. Die Haltung in Einzelboxen müsse vermieden werden.
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Die meisten Kälber von Milchkühen werden sofort nach der Geburt von ihren Müttern getrennt.

Eine erschütternde und traurige Praxis für die “Nebenprodukte” der Fleisch- und Milchindustrie

Laut dem gesunden Menschenverstand ist das Tierquälerei. Wie müssen die Rinder sich fühlen, diese Verlassenen? Kaum haben sie das Licht der Welt erblickt, der ganze Körper voller Sehnsucht nach mütterlicher Liebe und Geborgenheit, werden sie von unsanften Händen gepackt und weggetragen; in den Ohren die flehenden Rufe der Mutter, die sie nie wieder sehen werden; an den kleinen Körpern hängt noch die Nabelschnur, die in den nächsten zwei Wochen abfallen wird. Ganz allein sind die Kälber, es ist Winter, die Temperaturen liegen weit unter dem Gefrierpunkt, und oft ist es nur ein Hauch von Stroh, der den kalten Beton, auf dem sie nun liegen, ein wenig wärmer und weicher macht. Im Inneren des Iglus klettert das Thermometer nur um zwei oder drei Grad nach oben, ein Temperaturpolster bildet sich nicht. Nicht isoliert, zu offen, um den kleinen Raum mit der Körperwärme zu heizen; dafür steigen die Temperaturen im Sommer umso schneller an, oft auf 45 Grad und mehr, und die Kälber haben dann die Qual der Wahl: sich in den Ofen legen oder den Iglu verlassen und die pralle Sonne ‚geniessen’…

Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen nun, dass Kälber mit begrenztem Kontakt zum Muttertier häufig unter Isolationsstress leiden und nicht säugen können. Die Trennung von der Mutter macht das Kalb oft anfälliger für Krankheiten. Um die häufige Erkrankung vorzubeugen und zu behandeln, sind hohe Antibiotikaeinsätze bei Kälbern die Norm. In der Regel trinken Kälber 6-8 Mal pro Tag am Euter der Mutter. Durch die Trennung von der Mutterkuh muss das Kalb Milchersatz aus einem Eimer trinken, was nur 2-mal am Tag geschieht. Die Kälber trinken daher überstürzt und verzehren grosse Mengen auf einmal. Dies und die Stressereignisse, die ihre Immunreaktion verringern, führen bei vielen Kälbern zu lebensbedrohlichem Durchfall, was zu einer durchschnittlichen Sterblichkeitsrate der Kälber in Milchviehbetrieben von 10% und mehr führt.

Um ihr Wohlbefinden zu verbessern, sollten die Jungtiere mindestens einen Tag lang zusammen mit dem Muttertier gehalten werden, wobei ein längerer Kontakt aufgrund der Vorteile hinsichtlich des Tierwohls sowohl für das Kalb als auch für die Kuh empfohlen wird. Kälber sollten in den ersten Lebenswochen in kleinen Gruppen untergebracht werden.

Neugeborene Kälber alleine in eine Box zu stecken, ist somit Tierquälerei und schädigt nicht nur deren Immunsystem.

Um das Tierwohl zu verbessern, sollte ausserdem die Nutzung von Einzelboxen komplett vermieden werden. Kälber benötigen zudem ausreichend Platz zum Ausruhen und Spielen sowie Zugang zu bequemer Einstreu. Dies sind einige der Empfehlungen, die in einem wissenschaftlichen Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) veröffentlicht wurden, mit dem die Überarbeitung der Tierschutzvorschriften der Europäischen Union unterstützt werden soll.

Wissenschaftliche Ratschläge zur Unterstützung der Gesetzgeber

Unsere Wissenschaftler bewerteten die in der Europäischen Union für Kälber verwendeten Haltungssysteme und ermittelten die Gefahren, denen die Tiere ausgesetzt sind, sowie die damit verbundenen Folgen für das Tierwohl. Die Bewertung liefert wissenschaftliche Ratschläge zur Unterstützung der Entscheidungsfindung durch die Gesetzgeber im Rahmen der laufenden Überarbeitung der Tierschutzgesetzgebung der Europäischen Union. Ein Legislativvorschlag der Europäischen Kommission wird voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2023 vorgelegt.

Die Europäische Kommission ersuchte die EFSA im Rahmen ihrer Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ um mehrere wissenschaftliche Gutachten zum Schutz von Nutztieren. Die EFSA hat bereits Bewertungen zum Wohlergehen von ZuchtschweinenMasthühnern und Legehennen sowie Tieren beim Transport veröffentlicht. Unsere Wissenschaftler arbeiten derzeit auch an Bewertungen zum Wohlergehen von Milchvieh sowie von Enten, Gänsen und Wachteln.