So herzig kleine Wildtiere auf viele Menschen auch wirken mögen: Die Hintergründe, wieso oftmals verlassene Jungtiere ohne Mutter gefunden werden, sind oft äußerst dramatisch, laut dem Wiener Tierschutzverein.
Die Muttertiere werden oft ein Opfer des Strassenverkehrs und die Jungtiere bleiben alleine zurück. „Oder sie sind – was fast noch öfters vorkommt – ein Opfer der Jagd“, sagt Madeleine Petrovic, Präsidentin des Wiener Tierschutzvereins (WTV). Im dazugehörigen Tierschutzhaus in Vösendorf finden viele dieser Wildtiere kompetente Pflege, so wie jüngst das Wildschweinjunge „Berta“.
Leider gibt es gerade im Osten Österreichs nach wie vor Regelungen, die für zivilisierte Menschen mit Herz – und auch für viele redliche Jägerinnen und Jäger selbst – untragbar und unverständlich sind. So existieren etwa in Niederösterreich für kleine Raubtiere wie Füchse, Marder, Mausmarder, Iltisse oder Wiesel, aber auch für Wildschweine, Wildkaninchen oder Waschbären nach wie vor gar keine Schonzeiten. Ein Beispiel: Fuchs-Mütter, die aktuell ihre Jungen im Bau zu versorgen haben, können quasi immer abgeschossen werden. Dieser Umstand wirkt sich besonders schlimm auf die Jungtiere der genannten Tierarten aus, die ohne Mutter qualvoll und langsam an Hunger, Durst oder Kälte sterben. Der WTV hat gegen diese Barbarei bereits vor einigen Jahren eine Petition gestartet. „Leider wurden bisher auch alle Anträge gegen diese Praktiken im NÖ Landtag stets abgelehnt“, so Petrovic vom Wiener Tierschutzverein. Der zuständige Landtagsabgeordnete meinte einst dazu, dass anständige Jäger das ohnehin nicht täten. Logisch gedacht könnte es dann aber auch ohne weiteres ein Verbot geben.
„Tatsache ist leider, dass es sehr wohl passiert. Erst vor wenigen Tagen haben wir vergeblich um die Rettung des letzten noch lebenden Fuchsbabys gekämpft, dessen Mutter erschossen worden war. Leider haben Spaziergängerinnen das wimmernde Baby erst entdeckt, als es schon total dehydriert und verloren war. Die Geschwisterchen waren schon vorher verendet. Entspricht dies einem modernen Jagdrecht? Ich denke eher nicht“, sagt Petrovic.
Sonderfall Wildschweine
Apropos Jagdrecht: Bei Wildschweinen ist die Situation besonders fragwürdig. Denn Muttertiere, die Babys haben – so genannte „führende Bachen“ – dürfen zwar eigentlich nicht bejagt werden, aber wenn zuerst die Frischlinge (für die es keine Schonzeiten gibt) erlegt werden, kann danach die auch Mutter, die ja dann keine Babys mehr hat, getötet werden. Das alles ist laut Gesetz legal. „Es mag legal sein, aber es ist und bleibt ein moralischer Frevel und eine menschliche sowie politische Bankrotterklärung“, so Petrovic.
Die WTV-Präsidentin ortet daher dringenden Handlungsbedarf: „Es wird höchste Zeit für ein modernes Jagdrecht, das auch das Wohl der Tiere berücksichtigt und nicht die Vorteile einiger unredlicher Menschen in der Jägerschaft, die Wildtiere immer noch als unliebsame Jagdkonkurrenz sehen“, so Petrovic. Und die WTV-Präsidentin ergänzt: „Ja, so ein kleiner Frischling ist süss. Die Geschichte dahinter aber fast sicher eine Tragödie und ein Verstoss gegen alles, was eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung als rechtlich zulässig erachtet“.