Animal Rights Watch (ARIWA) veröffentlichte 2013 Filmmaterial aus der „van Gennip Tierzuchtanlagen GmbH” in Sandbeiendorf (Sachsen-Anhalt). Die Aufnahmen wiesen massive Tierquälerei und schwere tierschutzrechtliche Verstösse in einem der grössten Schweinezuchtbetriebe Deutschlands nach. Behördliche Kontrollen bestätigten einen Grossteil der Verstösse. Während das Strafverfahren gegen Verantwortliche der van Gennip Tierzuchtanlagen GmbH & Co. Handels-Kommanditgesellschaft wegen Verstosses gegen § 17 TierSchG Ende 2015 eingestellt wurde, standen die Rechercheaktivist/innen bereits im September 2016 wegen Hausfriedensbruchs am Amtsgericht Haldensleben vor Gericht.

Die Gerichtsverhandlung endete mit einem Freispruch nach § 34 StGB „Rechtfertigender Notstand”. Die Richterin des Amtsgerichts Haldensleben sah das Rechtsgut Tierschutz in der Anlage mit 65.000 Tieren in einer Art verletzt, die den begangenen Hausfriedensbruch der drei Aktiven rechtfertigte. Gegen das Urteil legte die Staatsanwaltschaft Magdeburg Berufung ein. Das Landgericht Magdeburg bestätigte das Urteil im Oktober 2017. In seiner Begründung ging das Landgericht noch über die Argumentation des Amtsgerichts Haldensleben hinaus. Es hielt den Angeklagten den noch „stärkeren” Rechtfertigungsgrund der Nothilfe (§ 32 StGB) zugute. Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft Revision ein. Die Revisionsverhandlung fand nun am 22. Februar 2018 am Oberlandesgericht Naumburg statt. Das Oberlandesgericht hat die Revision der Staatsanwaltschaft verworfen. Der Freispruch ist somit rechtsgültig – ein wichtiges Urteil im Namen der Tiere.

Aus Sicht von ARIWA ist das Betreten von Anlagen der Tierindustrie zu Dokumentations- und Beweiszwecken gerechtfertigt. Das Recht der Tiere auf physische und psychische Unversehrtheit und auf ein Leben ohne Qual und Bedrängnis überwiegt unseres Erachtens das Hausrecht der Anlagenbetreiber und deren wirtschaftliche Interessen. Ein milderes Mittel, die Öffentlichkeit über die Zustände in den Tierfabriken zu informieren und die Strafverfolgungs- und Veterinärbehörden zum Tätigwerden zu motivieren, ist uns nicht bekannt. Denn häufig werden die Veterinärbehörden erst dann gegen Tierschutzverstöße aktiv, wenn Videomaterial vorliegt und dessen Veröffentlichung für öffentliches Interesse an weiterer Aufklärung sorgt. Wir sehen in der Erstellung und Verbreitung dieser Aufnahmen daher keinen Rechtsverstoß, sondern eine bürgerliche Pflicht. Das Urteil in diesem Revisionsverfahren kann die rechtliche Bewertung solcher Fälle grundlegend beeinflussen.

Die Berichterstattung über die Zustände in der Sandbeiendorfer Schweinezucht ist hier nachzulesen. Hier geht es zur Berichterstattung über den Prozess am Amtsgericht Haldensleben, hier zur Berufungsverhandlung am Landgericht Magdeburg. Fotos aus der Anlage finden sich hier.

Dr. Edmund Haferbeck
Dr. Edmund Haferbeck

„PETAs Ansicht nach ist es nicht nur gerechtfertigt, Tierhaltebetriebe zu Dokumentationszwecken zu betreten, sondern notwendig. Die körperliche und psychische Unversehrtheit von Tieren wiegt stärker als das Hausrecht der Anlagenbetreiber. Veterinärbehörden werden zudem häufig erst aktiv, wenn bereits Beweise vorliegen und die Belange von öffentlichem Interesse sind – auch in diesem Fall haben die zuständigen Behörden trotz besseren Wissens nicht gehandelt. Die Angeklagten mussten somit selbst aktiv werden, um die Missstände zu dokumentieren. Dass die Tierrechtler mit ihrem Namen eingestanden und nicht anonym gehandelt haben, sei laut dem Gericht begrüssenswert. Verbraucher werden von den Lügen der Tierproduktionsbranche getäuscht, dabei sollten sie über die wahren Zustände in den Betrieben informiert werden, um eine bewusste Kaufentscheidung treffen zu können. Dass die Angeklagten drei Instanzen durchlaufen mussten und somit von der Justiz kriminalisiert wurden, ist skandalös. Das Revisionsverfahren dürfte die juristische Bewertung ähnlicher Fälle allerdings grundlegend beeinflussen – somit ist das Urteil ein Meilenstein für die Tierrechtsbewegung und ein schwerer Schlag gegen die Agrarmafia, “

sagt Dr. Edmund Haferbeck, Leiter der Rechts- und Wissenschaftsabteilung bei PETA,