Die Abschussverfügung gilt für 60 Tage.
Der Abschussperimeter entspricht dem «Alpkonzeptperimeter Oberes Reusstal». Das Bundesrecht verbietet es jedoch, den Wolf im Gebiet des eidgenössischen Jagdbanngebiets Fellital zu erlegen.
Zwischen dem 23. April 2022 und dem 10. Mai 2022 gab es verschiedene Hinweise (insbesondere Sichtbeobachtungen) auf eine Einzelwolfpräsenz im Urner Oberland (Gemeinden Göschenen, Wassen, Gurtnellen). Zwischen dem 14. und 23. Mai 2022 wurden in der Gemeinde Wassen im Gebiet zwischen «Hubel» und «Urschlauwi» (im Perimeter des eidgenössischen Jagdbanngebietes Fellital) bei mindestens drei Angriffen insgesamt 5 Ziegen und 13 Schafe vom Wolf gerissen. 7 Schafe wurden dabei auf zwei LN-Flächen (Landwirtschaftliche Nutzflächen) ohne Schutzmassnahmen gerissen und durften aufgrund geltendem Bundesrecht dem «Abschusskontingent» nicht zugeordnet werden.
Schadensschwelle erreicht
Die Kantone können zur Verhütung von Wildschäden gemäss eidgenössischer Jagdgesetzgebung jederzeit Massnahmen gegen einzelne geschützte Tiere anordnen, die erheblichen Schaden anrichten. Ein erheblicher Schaden an Nutztieren durch einen einzelnen Wolf liegt vor, wenn in seinem Streifgebiet innert vier Monaten mindestens 10 Nutztiere getötet werden, dies nachdem früher bereits Schäden durch Wölfe zu verzeichnen waren (Wolfpräsenzgebiet). Die Herden müssen jedoch geschützt sein oder nicht zumutbar schützbar.
Im vorliegenden Fall waren die Herden zwar «technisch» nicht geschützt. Die Risse ereigneten sich jedoch im Alpgebiet (Heimkuhweide Wassen) des Projekts «Alpkonzept Oberes Reusstal». Während der Zeit des Ausarbeitens des Konzepts gelten die entsprechenden Alpen im Projektgebiet als geschützt. Das Amt für Landwirtschaft und das Bundesamt für Umwelt (BAFU) haben diese Vereinbarung im Jahr 2017 getroffen.
Das Alpgebiet «Kuhweide Wassen» gilt als Wolfspräsenzgebiet. Nach den Rissen von total 5 Ziegen und 6 Schafen wurde die Schadensschwelle von 10 getöteten Nutztieren erreicht.
Kein Abschuss im Jagdbanngebiet
Da damit gerechnet werden muss, dass im übrigen Projektgebiet «Alpkonzept Oberes Reusstal» weitere Übergriffe stattfinden, hat die Sicherheitsdirektion am 31. Mai 2022 den Abschuss dieses schadenstiftenden Wolfs verfügt. Die Abschussbewilligung ist auf 60 Tage befristetet. Der Abschussperimeter entspricht dem «Alpkonzeptgebiet Oberes Reusstal». Nicht erlegt werden darf der Wolf gemäss Bundesrecht im Gebiet des eidgenössischen Jagdbanngebiets Fellital. Für den Vollzug der Abschussverfügung ist die Abteilung Jagd des Amts für Forst und Jagd zuständig. Mit dem Abschuss werden primär die kantonalen Organe der Wildhut und allenfalls speziell bezeichnete Jäger beauftragt.
Verein kritisiert Urner Abschussbewilligung
Der Verein CHWolf hat die vom Kanton Uri erteilte Abschussbewilligung für einen Wolf aufs Schärfste verurteilt. Die Abschussbewilligung entspreche nicht der geltenden Bundes-Jagdverordnung, kritisiert der Verein in einer Mitteilung vom Pfingstmontag.
Der Verein CHWolf macht in einer Medienmitteilung nun geltend, dass sieben Schafe auf zwei landwirtschaftlichen Nutzflächen ohne Schutzmassnahmen gerissen worden seien und deshalb dem «Abschusskontingent» nicht zugeordnet werden dürften. Die restlichen Tiere seien zwar technisch auch nicht geschützt gewesen, die Risse hätten sich jedoch im Alpgebiet ereignet. Während der Zeit des Ausarbeitens des Konzepts würden die entsprechenden Alpen im Projektgebiet als geschützt gelten.
Der Verein wirft auch die Frage auf, wie ernsthaft das Thema Herdenschutz im Kanton Uri überhaupt angegangen werde, wenn bei dieser Konzeptausarbeitung nach fünf Jahren noch keinerlei Herdenschutz betrieben werde. Im Übrigen befreie eine derartige Vereinbarung die Tierhalter nicht vor der Verantwortung, ihre Tiere wirkungsvoll gegen Wolfs- oder andere Raubtierübergriffe wirksam zu schützen.
Situation im Tessin
Ähnlich sieht es auf der anderen Seite des San Gottardo-Massivs aus: Die Tessiner Behörden haben Mitte Mai die Tötung eines Wolfs im Rovana-Tal genehmigt, nachdem dieser im April 19 Schafe getötet hatte. Bisher hatten die Jäger kein Glück.
Das Jagd- und Fischereiamt bestätigte den jüngsten Wolfsangriff in der Leventina, wo 4 Schafe im Gebiet von Faido getötet wurden. Seit Anfang 2022 hat sich der Wolf bereits vielfach bemerkbar gemacht.
Bei den Beutegreifern wurde im Jahr 2022 mit 43 getöteten Tieren die Gesamtquote des letzten Jahres, als 37 Tiere angegriffen wurden, bereits überschritten. Der bisherige Rekord reicht bis 2020 mit 59 Tiere, gefolgt von 2015 mit 51 und 2004 und 2019 mit jeweils 47 Tiere.
Mit der Rückkehr des grossen Beutegreifers südlich der Alpen, seit dem ersten dokumentierten Angriff auf den Monte Carasso im Jahr 2001, wurden bisher 455 Nutztiere von Wölfen auf kantonalem Boden gejagt.
Der jüngste Tötungsfall auf Schweizer Boden geht auf den vergangenen Monat zurück: Im Wallis wurde ein Wolf getötet, der wiederholt Schaf- und Ziegenherden angegriffen und insgesamt 28 Nutztiere in geschützten Situationen geschlachtet hatte.