Die bislang grösste Erhebung der Säugetiere in der Schweiz und in Liechtenstein ist abgeschlossen: 99 Arten wurden nachgewiesen, 12 mehr als bei der letzten Übersicht von 1995.
Einige der Arten wie Wölfe oder Fischotter sind zurück, andere wie Walliser Spitzmäuse oder die Kryptische Fledermaus wurden neu entdeckt, berichten die Forschenden der Schweizerischen Gesellschaft für Wildtierbiologie im neu erschienenen «Atlas der Säugetiere». Basierend auf über 1 Million Beobachtungen dokumentiert das Buch das Vorkommen der Säugetiere so genau wie nie zuvor.
Neben den Säugetierarten, die im Vergleich zu 1995 neu beobachtet werden konnten, haben die Expertinnen und Experten bei einigen Säugetierarten zudem eine deutliche Zunahme ihrer Verbreitung nachgewiesen. Dazu gehören Luchs, Wolf, Wildkatze, Biber oder Rothirsch. Viele kleine und mittelgrosse Säugetierarten dagegen sind unter starkem Druck. So sind über die Hälfte der Fledermäuse auf der Roten Liste. Ihre Lebensräume und ihre Nahrung, vor allem Insekten, schwinden; Lichtemissionen und Umweltgifte nehmen zu.
Die grösseren Säugetierarten haben heute ihren Platz in der Schweiz wieder gefunden, teilweise dank der Hilfe des Menschen. Mehr Aufmerksamkeit verdienen aber auch die kleinen, unscheinbaren und teils gefährdeten Arten. Hier besteht Handlungsbedarf.
Roland Graf, Projektleiter der Schweizerischen Gesellschaft für Wildtierbiologie
Vor 100 Jahren gab’s nicht einmal mehr Rehe
Es war fünf vor Zwölf, als 1876 das Gesetz über die Jagd und den Schutz der wildlebenden Säugetiere und Vögel erlassen wurde. Noch vor 100 Jahren waren Steinbock, Rothirsch, Reh und Wildschwein in der Schweiz ausgerottet, Gämsen gab es nur noch ein paar. Auerochs, Wisent, Wildpferd und Elch waren schon lange weg.
Wie kaum eine andere Fledermausart meidet die Kleine Hufeisennase nächtlich beleuchtete Gebiete Der Luchs ist zurück im Jura und weiten Teilen der Voralpen und Alpen. Für das längerfristige Überleben sind die aktuellen Populationen aber noch zu klein. Der Rothirsch hat sein Verbreitungsgebiet weiter ausgedehnt und ist heute auch im Tiefland vielerorts ganzjährig anzutreffen. Einheimische Stauden und Sträucher sowie Mut zu einer gewissen Unordnung: So kann die Bevölkerung einen Beitrag leisten, dass die einheimischen Säugetiere auch in direkter Nachbarschaft zum Menschen Raum zum Leben finden. Mit einer Kopf-Rumpflänge von rund 4.5 cm und einem Gewicht von gut 2 Gramm gilt die Etrusker Spitzmaus als kleinstes Säugetier der Welt. Ihr Vorkommen beschränkt sich auf die südlichsten Gebiete der Schweiz im Tessin. 160 Freiwillige untersuchten über 150 km-Quadrate verteilt in der ganzen Schweiz auf Igelvorkommen. Anzahl Säugetierarten pro Ordnung, die in der Schweiz und Liechtenstein wildlebend vorkommen
Über 1 Million Daten
Sichtungen, Beutetiere von Katzen, Spuren, Kot, Ultraschall, genetische Analysen und weitere Methoden – Säugetierexpertinnen und -experten diverser privater Organisationen und öffentlicher Stellen, sowie Tausende von Helferinnen und Helfern haben die Säugetiere, viele davon scheu und nachtaktiv, mit einigen Tricks nachgewiesen. So sind in der nationalen Datenbank info fauna 1’141’000 Beobachtungen seit dem Jahr 2000 zusammengekommen. Diese umfangreiche Datenbasis liefert das bislang genaueste Bild über das Vorkommen von Säugetieren in der Schweiz und Liechtenstein. «Die neuen Methoden und Netzwerke, gerade auch im Bereich Citizen Science, sind eine starke Basis für das künftige Monitoring der Säugetiere in der Schweiz», sagt Roland Graf.