Kriminalität

Erneut wildern Bündner Jäger einen Wolf

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Der Wolf ist an den Folgen mehrerer Schrotschüsse gestorben.

Beim aufgefundenen Tier handelt es sich aufgrund der bisherigen Erkenntnisse um einen im Jahre 2015 geborenen, männlichen Jungwolf. Waldarbeiter haben am 15.3.2016 unterhalb einer Strassenbrücke auf Gemeindegebiet von Sils im Domleschg GR den Kadaver gefunden.

Der Kadaver wurde für eine genaue Untersuchung und für die Abklärung der Todesursache dem pathologischen Institut der Universität Bern übergeben.

Der Tod dürfte bereits vor einigen Tagen eingetreten sein. Aufgrund der vorgefunden Situation ist davon auszugehen, dass der Wolf nicht an der Fundstelle beschossen wurde, sondern als Kadaver über den Rand der Strassenbrücke ins Tobel entsorgt wurde.

Das Amt für Jagd und Fischerei hat bei der Staatsanwaltschaft Graubünden Anzeige gegen Unbekannt erhoben.

Graubünden hat nicht das alleinige Monopol an Jagdschmutz

Es ist bereits der zweite Wolf, der in den vergangenen Tagen illegal in der Schweiz getötet worden ist. Am 7. März wurde in Raron im Wallis am Ufer der Rhone ein Wolfskadaver gefunden. Das Tier erlag ebenfalls der Folge einer Schussverletzung eines Killers.

Für Wild beim Wild ist dies einmal mehr ein Hinweis, dass im Umfeld von Jäger kriminelle Energien dominieren und durch Selbstjustiz Druck gemacht wird. Erst gerade am 9.3.2016 hatte sich der Ständerat dagegen ausgesprochen, den Wolf als «jagdbare Tierart» abzustufen. Deutlich – mit 26 zu 17 Stimmen – lehnte er diesen Vorstoss des ehemaligen Walliser CVP-Ständerats René Imoberdorf ab. Nein sagte der Ständerat auch zu einer Standesinitiative des Kantons Wallis mit dem gleichen Anliegen. Nun wurden innerhalb einer Woche 2 illegal geschossene Wölfe gefunden. Dies deutet auf eine geplante Aktion seitens der Problem-Jäger, vermutlich aus dem Züchtermilieu hin. Im Fokus steht dabei auch der Ständerat Beat Rieder von der Walliser Skandalpartei CVP, der die Wilderei im Vorfeld mehrmals ankündigte. In Graubünden wurde im Januar 2014 letztmals ein gewildeter Wolf gefunden und im Wallis liegt es noch länger zurück. Die Dunkelziffer dürfte jedoch höher liegen, namentlich im Wallis.

rieder

An der ältesten Einwanderungsachse der Wölfe im Wallis haben sich bis heute noch keine Rudelbildungen beobachten lassen, was unnatürlich ist.

Der Verdacht liegt auf der Hand: Im Wallis werden Wölfe heimlich getötet. Gerüchtweise werden sie danach in Wasserturbinen zerhackt oder vergraben. Für Letzteres gäbe es gewissermassen eine staatliche Legitimation: Der Walliser Staatsrat Maurice Tornay (CVP) rief 2013 faktisch zur Wilderei auf, als er in einem Interview sagte: «Sehen, schiessen, schaufeln, schweigen.»

Der Wolf in der Schweiz ist vor allem ein Walliser Problem. So hatte der Bergkanton Graubünden – mit ähnlich vielen Schafen, wie im Wallis – 2015 nur gerade 19 Risse zu beklagen. 158 Schafe und Ziegen haben die Wölfe im Kanton Wallis gerissen. Also weniger als achtmal so viele. Und das, obwohl im Graubünden viel mehr Wölfe leben, als im Wallis. Der Wolf schützt unter dem Strich sogar noch Schafe und Ziegen. Wurden früher in den Alpen rund 10’000 Schafe pro Jahr durch nachlässige Schafzüchter in den Tod getrieben (Krankheiten, Unfälle, Abstürze usw.), sind es heute mit dem Wolfskonzept und Behirtung nur noch rund 5’000.

Der Wolf wird für den Menschen als ungefährlich eingestuft, ja er meidet sogar den Kontakt zu Menschen, sofern diese es unterlassen, die Wölfe anzulocken (anfüttern oder dgl.). Ängste sind völlig fehl am Platz. Jäger, Politiker oder Zecken können viel aggressiver und schadenstiftender sein! Der Wolf und Luchs wird touristisch als Attraktion und Symbol für eine intakte Natur gesehen. Wolf, Luchs und Fuchs haben einen ausserordentlich wichtigen Einfluss für ein gesundes Ökosystem. Durch die Jagd und Wilderei kann jeder Kanton einen grossen Imageverlust erleiden, der sich nicht nur auf den Tourismus negativ auswirkt.

Wolf Chronologie Graubünden

  1. Ein Wolfsweibchen wird am 9. September 1954 auf der Alp Campascio d’Ur bei Poschiavo (GR) getötet.
  2. Auf der Lenzerheide (GR) wird am 13. Dezember 1978  ein Wolfsmännchen erlegt. Es war 36 kg schwer. Der Abschuss wurde unter Anwesenheit von Prominenz gefeiert.
  3. In Absprache mit dem Bund verfügt der Kanton Graubünden am 20. August 2001 den Abschuss des Wolfes im Bergell. Bis zu Beginn der Jagdzeit im Kanton Graubünden wenden die Wildhüter erfolglos 420 Stunden für den Abschuss des Wolfs auf.
  4. Ein Wolf (9. Wolf, männlich, lebte mindestens 8 Monate in der Schweiz) wird am 29. September 2001 von einem Jäger in der Gegend von Margna (GR), beim Malojapass erlegt. Es handelt sich um ein 42 kg schweres, ausgewachsenes Männchen aus der italienischen Population.
  5. In einer von Pro Natura in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage am 10. Mai 2009 des Marktforschungsinstituts gfs-zürich sprechen sich über 70% der Befragten gegen den Abschuss von Wölfen und Luchsen aus, auch wenn deren Präsenz zu einer Reduktion der Jagderträge führt.
  6. Am 30. September 2010 behandelte der Nationalrat 14 Vorstösse zum Wolf, bzw. den Themen Berner Konvention, Ausweitung des Wildschadenbegriffs und Schafsömmerung. Er beschloss, dass die Schweiz in der Berner Konvention einen Vorbehalt zum Wolf anbringen und falls das nicht möglich ist, aus dem Artenschutzabkommen austreten soll. Ebenfalls will der Nationalrat, dass Einbussen der Kantone beim Jagdregal einen sogenannten Wildschaden darstellen und somit Grund für die Regulation geschützter Arten sein kann. Den Ausbau des Herdenschutzes lehnte der Nationalrat ab.
  7. Der Ständerat folgt dem Nationalrat im März 2011 und spricht sich entgegen der Empfehlung seiner Umweltkommission und der Naturschutzorganisationen für die Änderung der Jagdverordnung aus, sodass in Zukunft geschützte Arten abgeschossen werden können, wenn Kantone weniger Jagdeinnahmen haben.
  8. Der erste Wolfsnachwuchs wird im September 2012 in der Schweiz nachgewiesen. Nach vielen Jahren Wolfpräsenz in der Schweiz haben sich zwei Wölfe am bündnerischen Calanda gefunden und eine Wolfsfamilie mit mindestens vier Jungtieren gegründet. Die eidgenössische Initiative „Wolf, Bär und Luchs“ kommt nicht zu Stande. Die Initiative «Für den Schutz der Grossraubtiere (Bär, Wolf und Luchs)» von Pro Fauna wird lanciert und scheitert an den Unterschriftensammlung.
  9. Zwei Wölfe werden im Januar 2014 illegal geschossen, einer, weil der Jäger ihn mit einem Fuchs verwechselt (M44), der andere wurde gewildert (M42).
  10. Der Bundesrat erhöht im November 2013  die Mittel für den Herdenschutz und sichert ihn rechtlich in der Jagdverordnung ab.
  11. Das Calandarudel hat im Sommer 2014 zum dritten Mal Nachwuchs. Es können mindestens drei Welpen nachgewiesen werden.
  12. Pro Natura und der WWF akzeptieren im September 2014 das überarbeitete Konzept Wolf mit Vorbehalt. Erfreulich ist, dass es erstmals den positiven Einfluss von Wolf und Luchs auf Wildbestand und Ökosystem anerkennt. Regulierungsabschüsse kommen für WWF und Pro Natura aber nur in Frage, wenn es einen überlebensfähigen Bestand gibt, was heute noch nicht der Fall ist. Die beiden Verbände fordern Verhandlungen am runden Tisch, um die Vereinbarung von 2012 weiterführen zu können.
  13. Das Konzept Wolf wird im Herbst 2014 sistiert, weil weitere politische Vorstösse eingereicht werden. Pro Natura wehrt sich nicht grundsätzlich gegen eine Revision des Jagdgesetzes (Motion Engler), die das Zusammenleben von Wolf und Bergbevölkerung regeln und eine Bestandesregulierung einführen will. Voraussetzung ist weiterhin ein überlebensfähiger Bestand. Die Jagdbarkeit des Wolfes (Motion Imoberdorf) lehnt Pro Natura kategorisch ab.
  14. Bundesrätin Doris Leuthard gibt im Dezember 2014 eine erneute Jagdverordnungsrevision bekannt. Damit sollen Eingriffe in Rudel erleichtert werden, obwohl erst eine einzige Wolfsfamilie in der Schweiz lebt. Pro Natura ist enttäuscht über diesen kontraproduktiven Schnellschuss. Sie erwartet von Doris Leuthard mehr Engagement für eine lösungsorientierte Sachpolitik. Pro Natura fordert seit langem ein nationales sachgerechtes Wolfsmanagement, das nicht nur aus Abschüssen besteht, sondern auch die ökologisch wichtige Rolle des Wolfes (z.B. in die Jagdplanung und den Waldbau), mehr Herdenschutz, sachliche und breite Information der Bevölkerung sowie touristische Aspekte mit einbezieht.
  15. Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete SAB gibt im Mai 2015 bekannt, die Geschäftsstelle der Vereinigung für eine Schweiz ohne Grossraubtiere führen zu wollen. Pro Natura wendet sich mit einem Brief an die SAB-Mitgliedkantone und bitten sie, sich dagegen zu wehren. Es ist nicht akzeptabel, dass ein mit öffentlichen Geldern finanzierter Verein ein verfassungswidriges Ziel unterstützt. Die SAB krebst daraufhin zurück und verspricht, nur administrative Arbeiten auszuführen. Die Statuten des Vereins sind trotz direkter Anfrage nicht bekannt.
  16. Die Kantone Graubünden und St. Gallen beantragen im November 2015 beim Bundesamt  für Umwelt eine Abschussbewilligung für zwei Jungwölfe aus dem Calandarudel. Begründet wird das Vorgehen damit, dass die Wölfe ihre Scheu gegenüber dem Menschen verloren hätten. Mit dem Abschuss soll dieses Verhalten geändert werden. Pro Natura ist überzeugt, dass das Verhalten unproblematisch ist. Sie erhebt jedoch aufgrund der schlechten juristischen Erfolgsaussichten keine Einsprache und kritisiert die Jagdverordnung grundsätzlich.
  17. Das überarbeitete Konzept Wolf wird im Januar 2016  in Kraft gesetzt. Neu daran ist vor allem die Tabelle zur Einschätzung des Verhaltens von Wölfen. Pro Natura ist mit den Kriterien nicht einverstanden, da natürliches Wolfsverhalten unnötig und vorschnell als «gefährlich» interpretiert wird.
  18. Männlichen Jungwolf aus dem Calandarudel wird im März 2016 gewildert und unterhalb einer Strassenbrücke auf Gemeindegebiet von Sils im Domleschg GR gefunden.

3 Kommentare

  1. Fritz Muster Antwort

    Das ging aber schnell, wisst ihr schon sicher, dass es Bündner Jäger waren?

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