Kunterbunt

Warum werden in Norwegen Wölfe gejagt?

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In Norwegen nehmen die Konflikte um den Wolf zu. Letzten Monat protestierten Tausende gegen legale Abschüsse. Über 90‘000 Menschen unterschrieben die internationale Petition gegen die Jäger.

Das ländliche Norwegen wird “Wölfe nie akzeptieren”

Die ländlichen Gemeinden in Norwegen kämpfen gegen die Abwanderung. Viele junge Menschen ziehen in die Städte, wo sie sich bessere Arbeitsmöglichkeiten erhoffen. Jene Jungen, die zurückbleiben, gehören der Arbeiterklasse an und sind oft passionierte Jäger. Sie haben eine klare Meinung zu den Raubtieren: Eine beschränkte Anzahl Luchse, Vielfrasse und auch Bären ist akzeptabel. Aber Wölfe werden sie nie akzeptieren.

Die Wolfspopulation im Südosten Norwegens nimmt seit den 90ern zu. Ihr Aufkommen in neuen Gebieten fällt zusammen mit der wachsenden Besorgnis der Bauern und damit der lokalen Gemeinden. Norwegische Jäger wollen deshalb den Wolf auf ihrem Gebiet ausrotten. Dafür sind aber eine Anpassung der nationalen Gesetzgebung und eine Ausnahme von internationalen Gesetzen nötig. Bisher konnte Norwegen trotz wachsendem Druck keine vollständige Bewilligung zum Abschuss der Wölfe erteilen.

Die Welt der Jäger

Zum Einen spielt der sogenannte “kulturelle Widerstand” eine Rolle. Dieser bedeutet nicht unbedingt der Kampf gegen die Behörden und will auch keinen sozialen Wandel. Er ist eine Art Kampf für Autonomie, um Kontrolle über das eigene Leben zu haben. Aber junge Männer auf dem Land, die gerne jagen, sind ein normaler Bestandteil der Gesellschaft. Und ihre Kontakte zeigen, dass die Jäger ein enges Netzwerk und damit eine eigene Gruppe von Leuten bilden (die berühmte soziale „Blase“).

Konkurrenz durch die Tiere

Viele sehen im Jagen eine Art traditionelle Freizeitaktivität in der Natur. Im 20. Jahrhundert gab es in Norwegen keine grossen Raubtiere ausser dem Luchs, dagegen viele Huftiere wie Rehe und Elche. Um deren Vermehrung einzuschränken war die Jagd in vielen ländlichen Gebieten eine Einkommensquelle. Entweder landeten die Tiere auf dem eigenen Teller oder sie brachten Geld in Form von Jagdsubventionen. Heute hat es in Norwegen Luchse, Vielfrasse, Braunbären und Wölfe. Und die Jäger sehen in ihnen direkte Konkurrenten, obwohl sie eigentlich die natürliche Biodiversität fördern.

Kochen oder Schiessen?

Jagen ist auch in Norwegen vorwiegend männlich geprägt. Die Söhne lernen es von den Vätern und Grossvätern. In der modernen Gesellschaft halten auch die Jäger moderne Erwartungen hoch. Bei jungen Jägern, die eine Familie gründen, gehören Haushalt und Kinderbetreuung, genauso dazu wie bei den Vätern in der Stadt. So wachsen die Konflikte zwischen dem traditionellen Bild des Mannes als Jäger und dem Bild des neuen Mannes. Aber auch die Wälder sind nicht mehr die gleichen. Früher waren sie Freizeitbereiche, die von Menschen gestaltet wurden, doch die Präsenz der Raubtiere änderte das. Für die heutigen Jäger hat der Wolf in Norwegen keinen Platz. Norwegische Wälder sollen den Spaziergängern und ihren Hunden vorbehalten sein. Ein Ort, in dem Wildtiere nichts zu fürchten haben – ausser von den Jägern!

Der Hass der Jäger

Die Jäger in den norwegischen Landgebieten scheinen den Wolf als Tier zu respektieren. Der Wolf ist ein grosser Jäger mit einem Können, von dem Jäger und ihre Hunde nur träumen können. Gleichzeitig sehen sie in ihm eine Bedrohung für ihre Lebensweise. Offenbar schüren Leute, die sich für Wolfsschutz aussprechen, den Hass der Jäger gegenüber dem Wolf.

Sie sehen Städte als schlechte, chaotische Orte, in denen die Natur fehlt. Die Allianz von Leuten aus Politik, Ressourcenmanagement, Wissenschaft und Umweltschutz, die die Wolf-Lobby ausmachen, wird so zum Feind eines natürlichen Lebens auf dem Land. Der Wolf wurde zur Ikone der Stadtgebiete und damit zur grössten Bedrohung für das Leben auf dem Land.

Die wachsende Spaltung zwischen Stadt und Land

Jetzt, da der Wolf zurück ist, werden die Jäger mit der urbanen Sicht auf die Natur konfrontiert. Sie bleiben auf dem Land, um  genau so ein städtisches Leben zu vermeiden und fühlen sich oft „machtlos“ gegenüber der städtischen Bevölkerung. Aus diesem Gefühl wächst der Widerstand gegen den Wolf. Ein einziger extremer Jäger, der Wölfe abschiesst, reicht aus, dass die Medien die ganze Landbevölkerung als Wolfsmörder darstellen. So wachsen Irrmeinungen, Missverständnisse und Misstrauen zwischen Stadt und Land. Und die Jäger sind die Unterlegenen.

Sie haben ihr Vertrauen in die Stadtbevölkerung und die akademische Welt verloren. Sie glauben an ihre eigenen Beobachtungen und lehnen wissenschaftliche Studien ab, welche in der modernen Gesellschaft als wertvoll und objektiv gelten. In anderen europäischen Ländern zeigte sich, dass die Zusammenarbeit funktionieren kann. Deutschland hat eine gemeinsame Wolfs-Strategie gefunden. Warum soll so etwas in Norwegen nicht auch gehen?