Jagd

Tierrechtler: Bundesgericht gibt Jagdkritiker Recht

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Tierrechtler vom Verein Wildtierschutz Schweiz die die kantonale Volksinitiative «Für eine naturverträgliche und ethische Jagd» in Graubünden lanciert haben, sehen sich bestätigt. Das Bundesgericht ist die zweite Instanz, welche die Bündner Politik im Zusammenhang mit der Jagdinitiative korrigiert. 

Im September 2013 begann die Unterschriftensammlung für die Volksinitiative „Für eine naturverträgliche und ethische  Jagd“, welche am 12. September 2013 im Kantonsamtsblatt veröffentlicht wurde.

Die Initiative verlangt in der Form einer allgemeinen Anregung, das kantonale Jagdgesetz im Sinne der nachfolgenden Grundsätze anzupassen:

  1. Trächtige, führende Hirschkühe sowie Rehgeissen und ihre Jungen sind generell zu schützen.
  2. Fallen zum Töten und das Anfüttern von Tieren sind zu verbieten.
  3. Alle nicht vom Bundesrecht geschützten Vögel sind nicht jagdbar.
  4. Generelle Winterruhe für alle Wildtiere vom 1. November bis zum Beginn der Hochjagd.
  5. Im Amt für  Jagd und Fischerei, sowie in der Jagdkommission müssen Tierschützer/Jäger sowie Nichtjäger paritätisch vertreten sein.
  6. Bei der Ausübung der  Jagd gelten die Blutalkoholgrenzen gemäss der Strassenverkehrsgesetzgebung.
  7. Die Jagdeignung und Treffsicherheit sind periodisch zu überprüfen (analog zur Fahreignung im Strassenverkehr). Ab 2016 darf nur bleifreie Munition verwendet werden.
  8. Kinder bis zu 12 Jahren dürfen nicht auf die  Jagd mitgenommen werden und dürfen schulisch nicht zur  Jagd motiviert werden.
  9. Bei allen ausserordentlichen Schäden kann die Wildhut nur dann Regulierungen vornehmen, wenn alle anderen erdenklichen Schutzmassnahmen nicht zielführend sind.

Am 26. August 2014 reichte eine Vertreterin des Initiativkomitees die Initiative mit 3‘265 Unterschriften bei der Standeskanzlei ein. Die Regierung des Kantons Graubünden stellte in ihrem Beschluss vom 9. September 2014 fest, dass die Initiative mit 3’250 gültigen Unterschriften zustande gekommen sei und sie zur weiteren Bearbeitung an das Bau-, Verkehrs- und Forstdepartement überwiesen werde.

Mit Botschaft vom 24. November 2015 unterbreitete die Regierung dem Grossen Rat des Kantons Graubünden die Volksinitiative „Für eine naturverträgliche und ethische  Jagd.“

Hingegen beantragte die Regierung, die nachfolgenden Punkten des Initiativbegehren für ungültig zu erklären:

1. Trächtige, führende Hirschkühe sowie Rehgeissen und ihre Jungen sind generell zu schützen.
4. Generelle Winterruhe für alle Wildtiere vom 1. November bis zum Beginn der Hochjagd.
5. Im Amt für  Jagd und Fischerei, sowie in der Jagdkommission müssen Tierschützer/Jäger sowie Nichtjäger paritätisch vertreten sein.

Die Regierung begründete ihre Anträge betreffend die Teilungültigkeitserklärung damit, dass die betreffenden Initiativbegehren in offensichtlichem Widerspruch zum Bundesrecht, namentlich zum Jagdgesetz und Waldgesetz des Bundes sowie zu dem in der Bundesverfassung verankerten Diskriminierungsverbot, stehen würden.

Daraufhin wandten sich mehrere Tierrechtler des Initiativkomitees mit einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht.

Rechtssprechung Verwaltungsgericht

Die Beschwerde der Tierrechtler hiess das Verwaltungsgericht in zwei von drei Punkten gut.

Als zulässig und nicht im Widerspruch zu übergeordnetem Recht stehend beurteilt es die Begehren über den Schutz der Muttertiere sowie jenes über die generelle Winterruhe für das Rotwild.

Diskriminierend hingegen ist in den Augen der Verwaltungsrichter die Forderung nach einer paritätischen Besetzung des Amtes für Jagd und Fischerei durch Personen, welche die Jagd befürworten und solche, die ihr kritisch gegenüber stehen.

Eine solche Massnahme sei ungeeignet und wirkungslos im Hinblick auf den angestrebten Zweck einer ausgewogenen Jagdpolitik und -verwaltung. Zur Begründung schrieb das Gericht, dass die Jagd-politischen Zielsetzungen und Vorgaben nicht durch das Amt, sondern durch die Regierung und den Grossen Rat festgelegt würden.

Tierrechtler zogen Urteil des Verwaltungsgericht ans Bundesgericht

Der Tierschutz dürfe bei Gesetzesrevisionen nicht ignoriert werden. Deshalb brauche es einen Nicht-Jäger im Amt für Jagd und Fischerei Graubünden und der Jagdkommission. «Diese Person soll natürlich Sachkenntnisse haben,» sagt Frau Marion Theus, vom Verein Wildtierschutz Schweiz. Allerdings soll ein Nicht-Jäger mit gleichen Qualifikationen einem Hobby-Jäger bevorzugt werden. Dieses System kenne man auch bereits bei der Geschlechterquote.

Der Wildtierschutz Schweiz zog das Urteil des Bündner Verwaltungsgerichts wegen Ziffer 5 ans Bundesgericht weiter und bekam nun Recht.

Gemäss dem am Mittwoch publizierten Urteil verstösst die Forderung der Initianten nach paritätischer Vertretung von Tierschützern, Jägern und Nichtjägern im Bündner Amt für Jagd und Fischerei nicht gegen übergeordnetes Recht, das heisst, gegen die Bundesverfassung.

“Nach dem Ausgeführten lässt sich Ziffer 5 des Initiativbegehrens in Bezug auf das Amt für Jagd und Fischerei – ohne den Sinn der Initiative zu verlassen – so umsetzen, dass jedenfalls kein offensichtlicher, ins Auge springender Widerspruch zu übergeordnetem Recht entsteht. Indem die Vorinstanz die Ungültigerklärung von Ziffer 5 des Initiativbegehrens in Bezug auf die paritätische Vertretung im Amt für Jagd und Fischerei geschützt hat, verletzt das angefochtene Urteil somit Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 KV/GR. Demzufolge ist die Beschwerde gutzuheissen. Der Beschluss des Grossen Rats vom 17. Oktober 2016 sowie das angefochtene Urteil sind aufzuheben, soweit Ziffer 5 des Begehrens der Initiative “Für eine naturverträgliche und ethische Jagd” für teilweise ungültig erklärt wurde. Ziffer 5 des Initiativbegehrens ist für gültig zu erklären. “

Urteil Bundesgericht vom 1.4.2020

Die Forderung der Tierrechtler nach einer paritätischen Besetzung des Amtes für Jagd und Fischerei durch Personen, welche die Jagd befürworten und solche, die ihr kritisch gegenüber stehen, wurde somit bestätigt.

Erneute Schlappe für barbarische Bündner Jagd-Politik

Nach dem Bundesgerichtsurteil ist zunächst wieder das Kantonsparlament am Zug. Der in der Sache zuständige Regierungsrat Mario Cavigelli erklärte am 6.5.2020 auf Anfrage, er gehe davon aus, dass die Regierung dem Grossen Rat eine ergänzende Botschaft vorlegen werde über jene drei Punkte, die zuvor als ungültig erklärt worden waren.

In der Regel sei eine solche Botschaft dem Parlament innert Jahresfrist nach Vorliegen des schriftlichen Gerichtsurteils vorzulegen. Mit einer Volksabstimmung der Volksinitiative «Für eine naturverträgliche und ethische Jagd» in Graubünden rechne er in der zweiten Jahreshälfte 2021.

1 Kommentar

  1. Ein echtes Fremdschämen überfällt mich bei diesem Artikel. Und diese Rechtsverdreher werden auch noch von uns bezahlt! Dieser Herr hat die Konsequenzen zu tragen und sein Amt unverzüglich zu räumen…