Tierrechte

Nationalpark Nordschwarzwald wird jagdfrei

Von Herbst an soll das Rotwild im Nationalpark Nordschwarzwald auf rund 2000 Hektar nicht mehr geschossen werden.

Jagd im Nationalpark darf nicht sein – das sei die Meinung fast aller Besucher von Baden-Württembergs erstem Nationalpark Schwarzwald, berichtet Thomas Waldenspuhl, einer der beiden Direktoren. Viele Besucher haben offensichtlich die Idealvorstellung, dass sich in einem Großschutzgebiet die Natur frei entfalten kann und darum nicht geschossen wird.

Tatsächlich ist aber der Prozessschutz der Leitgedanke. Der Mensch zieht sich zurück, lässt der Natur ihren freien Lauf. Das unterscheidet einen Nationalpark von anderen Naturschutzgebieten, wo mit gezielten Pflegemaßnahmen bestimmte Arten oder Lebensräume erhalten werden. Diese Idealvorstellung einer ungezügelten Natur stößt häufig dann an die Grenzen der Akzeptanz bei vielen Besuchern, wenn sich zeigt, dass Natur auch zerstörerisch wirken kann – wenn Stürme oder Feuer wüten, Borkenkäfer Fichten kahl fressen oder Hirsche und Rehe Bäume massiv schädigen, schreibt die Stuttgarter Zeitung.

In einem Nationalpark aber spricht man nicht von Schaden, im Prozessschutz gehört alles zum Ökosystem, ob Pflanzen, Pilze, Insekten, Tiere – gleichberechtigt und wertneutral. „Unabhängig davon, ob es den Menschen gefällt oder nicht“, betont der Parkleiter Thomas Waldenspuhl.

Seine Aufgabe ist es, die Entwicklungen in dem 10 000 Hektar großen Gebiet so zu steuern, dass in den angrenzenden Wirtschaftswäldern kein Schaden entsteht. Das ist möglich, weil das Endstadium der Entwicklung – unberührte Natur in der Kernzone auf 75 Prozent der Fläche, Pflege- und Managementbereich auf 25 Prozent – erst in 30 Jahren erreicht sein muss.

Zur Zeit werden noch Hochsitze abgerissen, die an fast jeder Wiese stehen, berichtet der Forstexperte Friedrich Burghardt: »Das Rotwild frisst am liebsten Gras, aber an jeder Wildwiese knallt es, sobald es heraustritt.« Damit werde man jetzt aufhören. Aber es könne acht bis zehn Jahre dauern, bis die Tiere wieder am Tag äsen, wie es ihrem natürlichen Verhalten entspricht: »Mit der heutigen Generation von Muttertieren kriegen wir das nicht mehr hin.«

Innerhalb des Nationalparks soll genügend Äsungsflächen für das Wild geschaffen werden. Dazu bieten sich die Grinden an, jene typischen waldfreien Gebiete im Nordschwarzwald, die dank früherer Beweidung entstanden sind. Diese gehören zu den Managementzonen im Nationalpark, dort weiden Schafe und Rinder. Durch die Vergrößerung der Grindenflächen und der Schaffung von störungsfreien Zonen könnte langfristig auch dort – wie im Nationalpark Eifel – das Rotwild tagsüber beobachtet werden. Denn eigentlich seien Hirsche „Offenlandbewohner“ und tagaktiv, sagt Burghardt.

hirsch

Die Jagd auf Schalenwild wird im Nationalpark auf Flächen von insgesamt 2000 Hektar eingestellt. Dies sei „ohne jedes Risiko für die Anrainer“, beteuert der Parkchef. Denn dort – in den Hochlagen und auf den Grinden – wurde das weibliche Schalenwild seit bald 40 Jahren verschont. Bei den Gesellschaftsjagden standen die Trophäen, also die Geweihe der männlichen Tiere, im Mittelpunkt.

Die Satellitenüberwachung von Rotwild hat im Südschwarzwald interessante Aufschlüsse ergeben, berichtet Burghardt. Er habe dort 18 Hirsche über Jahre beobachtet und dabei gesehen, wie sich die Jagd auf das Verhalten der Tiere auswirkt. Heute könne man am Schluchsee wieder Hirsche am Waldrand stehen sehen. Um das auch im Nordschwarzwald zu erreichen, werde es mehrere Jahre dauern und ein Konzept brauchen, das auch die Nachbarn des Nationalparks mit einbezieht.

Wild beim Wild empfiehlt bei Bedarf die Immunokontrazeption, damit auch in den anliegenden Gebieten zum Nationalpark nicht mehr gejagt wird.

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