Wildtiere

Nationalpark Engadin

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Der Nationalpark im Engadin bietet seit 1914 ein Rückzugsgebiet für Wildtiere vor jägerischem Terror.

Unweit des Ofenpasses liegt der älteste Nationalpark der Schweiz – eine Landschaft seit 100 Jahren ohne menschlichen Eingriff. Seine Fläche von 170 Quadratkilometer entspricht der Grösse des Fürstentums Liechtenstein.

Hirsche bewegen sich dort frei am helllichten Tag und sind die grössten wildlebende Pflanzenfresser in der Schweiz.

Im Nationalpark leben 35 verschiedene Säugetierarten, 73 Vogelarten, 5 Reptilien- und 3 Amphibienarten, 227 Schmetterlinge (davon 108 Tagfalter), 34 Libellen- und 205 Käferarten sowie 99 Landschnecken und Grossmuscheln.

Der Wechsel von der Vieh- zur Wildtierweide führte zu einer völlig neuen Artenvielfalt, teils bis zu einer Verdoppelung. Der entscheidende Faktor für jede natürliche Entwicklung ist die Zeit. Im Winter treten die Regulationsmechanismen einer sich selbst überlassenen Natur am deutlichsten zu Tage.

Steinbock

Auch Bartgeier und Steinbock wurden einst von Jägern gnadenlos bis zur Ausrottung bejagt und später von Menschen wieder zurück gebracht.

Der Alpensteinbock ist eine Ziegenart, die sich ganz besonders wohlfühlt im Gebirge. Der Lebensraum der Steinböcke sind die Höhen zwischen Baum- und Eisgrenze. Nur im Winter steigen sie auch in tiefere Lagen ab. Der Steinbock ist das Bündner Wappentier und kommt mit beweglichem Untergrund nicht so gut zurecht. Bei über 100 Kilogramm Körpergewicht weichen Steinböcke dem Schnee eher aus.

Ausgerechnet dem Jagd-versesenem italienischem König Vittorio Emanuele II verdankt das Engadin die Steinböcke. Italienische Wilddiebe brachten Steinbockkitzen aus dem Jagdrevier (Nationalpark Gran Paradiso) des Königs im Aostatal in die Schweiz. Wilderer waren in jener Zeit Freiwild für die Jagdaufseher und auf Schmuggel bestand die Todesstrafe. Die Steinbockkitzen hatten damals etwa einen Gegenwert (800.– Franken pro Stück) eines heutigen Mittelklassenwagens. In einer abenteuerlichen Schmuggelaktion gelangten im Juni 1906 zuerst zwei Geisslein und ein Böcklein von Italien in die Schweiz. Wilderer hatten sie im königlichen Jagdrevier – nach Austricksen der Muttertiere – gestohlen, wobei aber darauf geachtete wurde, dass sie schon erste Muttermilch (Kolostrum) erhalten hatten, was sie widerstandsfähiger machte. Dann trug sie sie vom Gran Paradiso ins Wallis hinüber. Zwischen 1906 und 1933 gelangten so 59 geschmuggelte Steinbockkitzen in den Wildpark Peter und Paul in St. Gallen. 1920 wurden im Schweizerischen Nationalpark einige Steinböcke aus dem Wildpark ausgesetzt. Heute leben in der Schweiz wieder rund 15’000 Steinböcke, alle mit italienischer Abstammung.

Bartgeier

Bartgeier mit fast 3 Meter Flügelspannweite sind sie die grössten Vögel der Alpen. Bartgeiger haben eine Vorliebe für Knochen und Knochenmark. Sie sind spezialisierte Aasfresser und profitieren von der Strenge des Winters. Der Bartgeier mit bis 7 kg Eigengewicht verschwand um 1890 aus dem Engadin und wurden lange fälschlicherweise als Schafkitzräuber verunglimpft. Die Bartgeier sind nach den Steinböcken die zweite grosse Erfolgsgeschichte der Wiederansiedlung im Engadin. Zwischen 1991 und 2007 wurden rund 26 junge Bartgeier am Ofenpass freigelassen. 2007 brühtet das erste Bartgeierpaar. Mit über 500 km2 brauchen Bartgeier viel Platz. Die Wiederansiedlung ist ein grenzüberschreitendes Projekt, dass nur mit internationalen Bemühungen möglich ist.

Steinadler

Der Steinadler ist der Ausrottung knapp entgangen. Ihre Zahl ist durch die besseren Umweltbedingungen und vor allem durch das Jagdverbot im Schweizerischen Nationalpark deutlich gewachsen. Der «König der Lüfte» profitiert von idealen Lebensbedingungen: Hier gibt es die weiträumigen offenen und halboffenen Landschaften in der alpinen und subalpinen Höhenstufe und viele Möglichkeiten zum Bau von Adlerhorsten in schwer zugänglichem Gelände. Ausgewachsene Adler leben paarweise zusammen und verteidigen 30 bis 90 km2 grosse Reviere. Die Alpen sind von Steinadlerrevieren gänzlich belegt. Im Sommer ernährt sich der Steinadler vorwiegend von Murmeltieren. Im Winter bildet Aas von Huftieren einen hohen Anteil an seiner Nahrung.

Der Steinadler hat heute keine natürlichen Feinde mehr. Trotzdem wachsen die Adlerbestände nicht ungehindert an. Je mehr Adler sich im Luftraum tummeln, um so grösser wird die Konkurrenz untereinander. Wenn ein Adlerpaar den Horst dauernd verlassen muss, um sein Revier zu verteidigen, vernachlässigt es seine Brut. Tatsächlich zeigen Forschungsresultate, dass der Bruterfolg der Steinadler mit zunehmender Zahl der Reviere sinkt. An diesem Beispiel ist auch gut zu belegen, dass die Natur sich selbst reguliert, wenn sie den könnte.

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