Der Jagdaufseher aus dem Bezirk Andelfingen im Kanton Zürich hatte eine Rehkuh in der Laktation im Weidezaun verheddert vorgefunden.
Jedes Jahr kommen in der Schweiz tausende Tiere in Zäunen um oder verletzen sich daran (Wild beim Wild informierte).
Einem Landwirt wurde deshalb vorgeworfen, von Mitte Juni bis Ende Juli 2016 durch unsachgemässe und zweckentfremdete Verwendung eines mobilen Weidenetzes («Flexinet») in Nähe des Waldes eine erhebliche Gefahr für dort lebende Wildtiere geschaffen zu haben. Erst mehr als zwei Wochen später erfuhr der Bauer A. am Telefon von einer Polizistin, dass er angezeigt worden sei, weil sich ein Reh in seinem Zaun verheddert und sich nicht mehr habe befreien können.
Mit dem mobilen Zaun – einem «Flexinet» – wollte der Bauer seine Himbeeren, mit denen er Schnaps brannte, vor Wildfrass schützen. «Ich habe ihn in der Landi gekauft – als Wildschutznetz», so der Landwirt und Wirt eines Restaurants. So nahm die tierische Tragödie ihren Lauf: Der Jagdaufseher, von Dritten avisiert, versuchte laut der Anklageschrift «das schwer atmende und laut klagende Tier» erfolglos zu befreien. So tötete er die Rehkuh mit der Schrotflinte. Als fehlbar wertete nicht allein das Veterinäramt in seinem Bericht das Verhalten des Beerenproduzenten: Auch die Staatsanwaltschaft befand ihn der fahrlässigen Tierquälerei für schuldig. Die Netze, die zum Schutz für und nicht gegen Wildtiere gedacht seien, seien zweckentfremdet worden.
Der Verteidiger des Angeklagten legte in seinem Plädoyer grossen Wert darauf, das Handeln des örtlichen Jagdaufsehers kritisch zu hinterfragen. So scheint das laktierende Reh auf dem Beweisfoto keine äusseren Verletzungen aufzuweisen. Der erfolgte Todesschuss sei vermutlich gar nicht nötig gewesen, vielmehr hätte das Tier durchaus unverletzt befreit werden können. Daran habe der Jagdaufseher aber – so der Verteidiger – schlichtweg kein Interesse gehabt, schreibt die Zeitung Schaffhauser Nachrichten.
Vor allem der Bauer A. und sein Verteidiger waren nach dem Urteil ausser sich:
Ich bin nun als Tierquäler schweizweit registriert und werde auch noch als Vorbestrafter behandelt. Das kann ich nicht akzeptieren. Ich werde gehängt dafür, dass ein anderer ein Reh geschossen hat.
Beide kündigten an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Das Urteil sei ein faktisches Verbot solcher Zäune: «Da hat jetzt jeder Schiss.»
Die Stiftung für das Tier im Recht begrüsst das konsequente Durchgreifen des Bezirksgerichts Andelfingen. Auch nach Auffassung der TIR hätte das geschaffene Risiko für Wildtiere mit zusätzlichen Massnahmen – ohne grossen Aufwand – zumindest verringert werden können. Im offiziellen Merkblatt des Schweizer Tierschutzes „Sichere Zäune für Nutz- und Wildtiere“ finden sich hilfreiche Informationen zu dieser Problematik. So hätte der Landwirt den Weidenzaun beispielsweise mit einem gut sichtbaren Warnband ausstatten können, im Weiteren ist eine tägliche Kontrolle zwingend. Auch zusätzliche Hinweise am Weidenetz mit Angabe einer Notfallnummer können helfen.
Durchgehend elektrifizierte Zäune zum Schutz vor Wildtieren begrüsst die TIR hingegen nicht, da sie für sich darin verhedderte Tiere eine zusätzliche Qual darstellen. Diesbezüglich ist dem Landwirt in diesem konkreten Fall kein Vorwurf zu machen.
Leider kommt es immer wieder vor, dass Weidezäune Wild- oder auch Haustieren – ohne entsprechende Absicht des Monteurs – zum Verhängnis werden. In der Regel fehlen den betroffenen Landwirten die nötigen Informationen, wie sie ein Weidenetz oder einen Zaun so schonend wie möglich einsetzen können. Daher stehen nach Ansicht der TIR auch die örtlich zuständigen Wildhüter und Jagdobmänner sowie die Regionalbauernverbände in der Pflicht, sich diesbezüglich zu informieren und Landwirte auf die Problematik aufmerksam zu machen. Nur gemeinsam kann die Zahl solcher Wildtierunfälle in der Praxis erfolgreich minimiert werden, erklärt die Stiftung abschliessend.