Jagdgesetz

Kanton Graubünden wildert Graureiher

Offenbar sind nicht nur Personen, sondern auch Kantone Wilderer. Und die sollen mehr Jagdkompetenz bekommen? NEIN zum Jagdgesetz am 27.9.2020!
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Der Kanton Graubünden hat in den letzten Jahren 75 Graureiher abgeschossen, ohne rechtsgültige Bewilligung.

Nach dem eidgenössischen Jagdgesetz ist es ein mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe bestraftes Vergehen, Tiere geschützter Arten ohne Berechtigung zu töten.

Andere Kantone waren bis vor fünf Jahren ähnlich vorgegangen, haben aber zum grössten Teil nach einem Bundesgerichtsurteil ihre Praxis geändert. Was läuft hier schief?

Der Kanton Graubünden weiss genau, wie er vorgehen müsste, wenn er geschützte Tiere wie den Graureiher abschiessen will: Er müsste belegen, dass die Abschüsse aufgrund von erheblichen Schäden nötig sind, und er müsste eine Verfügung ausstellen, veröffentlichen und der rechtsstaatlichen Überprüfung durch Gerichte zugänglich machen. Beides ist nach dem geltenden Jagdrecht nötig. Doch der Kanton Graubünden hat nichts davon gemacht, und in den letzten vier Jahren trotzdem 75 geschützte Graureiher abgeschossen.

Klare Vorgaben des Bundesgerichts

Im Frühling 2015 hat das Bundesgericht klar festgehalten, dass für Abschüsse geschützter Tierarten eine Bewilligung nötig ist. Das gilt, seit das Jagdgesetz 1988 in Kraft getreten ist, und das Bundesgericht hat es vor fünf Jahren ausdrücklich bestätigt. Alle Jagdverwaltungen der Schweiz erhielten nach dem Beschluss aus Lausanne eine klare Weisung vom Bundesamt für Umwelt (BAFU). Doch der Kanton Graubünden hält sich nicht daran, seit Jahren. Bundesgerichtsentscheide gelten in der ganzen Schweiz, und die Naturschutzorganisationen hatten Ende 2017 zu den ungerechtfertigten Graureiherabschüssen einen intensiven Austausch mit dem Kanton und ihn zum Einhalten der Gesetze aufgefordert. Dennoch musste die Regierung auf eine Anfrage im Grossen Rat zugeben, dass auch 2019 wieder 8 Reiher geschossen worden waren.

Graubündens Behörden sind nicht die einzigen, die sich über das Gesetz hinwegsetzten. Der Bundesgerichtsentscheid 2015 folgte nach jahrelangem Tauziehen zwischen dem Kanton Bern und BirdLife Schweiz. Auch der Kanton Bern hatte sich damals geweigert, die Abschüsse von Hunderten von Graureihern in den Jahren vor 2015 mit einer Verfügung zu begründen und zu veröffentlichen. Er unterlag vor Bundesgericht. Immerhin hält sich Bern seither an den Beschluss der obersten Richter. Die Jagdstatistik zeigt aber, dass weitere vier Kantone seit 2016 kleine Zahlen von Graureihern ohne Bewilligung abgeschossen haben.

Reihermassaker in Freiburg rechtzeitig gestoppt

Und noch mehr Kantone haben in Bezug auf Graureiher-Abschüsse eine spezielle Vergangenheit. Der Kanton Zürich hat seit der Jahrtausendwende 138 Graureiher ohne Verfügung abgeschossen, hörte aber 2013 damit auf. Der Kanton Freiburg versuchte es vor gut zehn Jahren mit einem besonderen Vorgehen: Er bewilligte den Abschuss von 170 Graureihern als „Einzelabschuss“. So wollte er bei diesem massiven Eingriff in den Bestand die Tatsache umgehen, dass eine Genehmigung des Bundes nötig ist. Denn Bestandsregulierungen, wie es faktisch eine in Freiburg war, bedürfen nach dem heutigen Jagdrecht der Zustimmung des Bundes, Einzelabschüsse können von den Kantonen bewilligt werden. Auch der Kanton Freiburg verlor vor Bundesgericht 2009 klar; das Graureiher-Massaker wurde so noch rechtzeitig gestoppt.

Kantonsbehörden mehr Gewicht im Umgang mit geschützten Tieren geben?

Gemäss dem heutigen Jagdgesetz sind Regulierungen von geschützten Arten mit Zustimmung des Bundes möglich, wenn die Tiere tatsächlich Schäden verursachen. Die Schäden müssen erheblich sein und korrekt dokumentiert werden. Sowohl Einzelabschüsse als auch Regulierungen müssen bewilligt und die Verfügungen veröffentlicht werden. Diese klare Regelung soll nun aber mit der Revision des Jagdgesetzes, über die am 27. September abgestimmt wird, abgeschafft werden: Die kantonalen Behörden, von denen sich ein Teil beim Graureiher jahrelang nicht an das Jagd- und Schutzgesetz hielt, könnten in Zukunft selber über Bestandsregulierungen geschützter Arten auf der Regulierungsliste entscheiden.

Die Umweltorganisationen haben gegen diese Jagdgesetz-Revision das Referendum ergriffen. Die Abstimmung fand am 27. September 2020 statt. „Der Graureiher steht nach dem ersten Entwurf der Jagdverordnung noch nicht auf der Regulierungsliste,“ erklärt Werner Müller, Geschäftsführer von BirdLife Schweiz, „doch würde das Jagdgesetz am 27. September angenommen, könnte das Parlament den Bundesrat rasch zwingen, das zu ändern.“ Im Nationalrat hatten 2019 nur vier Stimmen gefehlt, um den Graureiher schon im Gesetz als regulierbar zu erklären. Werner Müller beurteilt es als problematisch, Kantonen, die sich wie beim Graureiher seit Jahren nicht an das Gesetz halten, noch mehr Kompetenzen im Umgang mit geschützten Arten zu geben.

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