Auf Europas grösster Jagdmesse „Jagd und Hund“ (Dortmund, 28. Januar bis 2. Februar) können Jäger den Abschuss auf gefährdete und geschützte Arten wie Eisbären, Nashörner, Elefanten, Löwen, Leoparden, Giraffen, Affen, Braunbären und Wölfe auf der Messe buchen – ganz legal.
„Wir erleben derzeit den grössten Artenverlust seit Aussterben der Dinosaurier, viele Tierbestände sind bereits eingebrochen. Trotzdem dürfen zahlungskräftige Hobbyjäger bedrohte und geschützte Tiere abschießen, wie zu Kolonialzeiten. Dieses sinnlose Töten aus reiner Gier nach Statussymbolen muss endlich ein Ende haben“.
Daniela Freyer von Pro Wildlife.
Auf der Messe „Jagd und Hund“ sind Aussteller aus Deutschland und mehr als 40 Ländern vertreten, Dutzende verkaufen Jagdsafaris in alle Welt und locken Besucher mit ausgestopften Tieren, Jagdfilmen und Sonderangeboten.
Nach einer Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen wurden alleine in den vergangenen drei Jahren (2017 bis 2019) Trophäen von Hunderten international geschützten Arten nach Deutschland eingeführt, darunter 89 Leoparden, 89 Flusspferde, 89 Braunbären, 85 Elefanten, 54 Löwen, 46 Wölfe, 23 Argali Wildschafe, 17 Geparde, 6 Eisbären, 6 Breitmaulnashörner, 1 Spitzmaulnashorn, Hunderte Zebras und Affen sowie zahlreiche weitere Arten.
Pro Wildlife widerspricht der Behauptung von Jagdverbänden, die Grosswildjagd wäre, „Artenschutz mit der Flinte“ und ein Beitrag zur Armutsbekämpfung. „Korruption und Missmanagement im Jagdbereich sind in vielen Ländern an der Tagesordnung. Lukrative Gewinne führen dazu, dass auch die letzten Tiere mit prächtiger Trophäe gnadenlos verfolgt werden. Die Profite machen vor allem ausländische Jagdreiseveranstalter und private Jagdfarmbesitzer, die Bevölkerung vor Ort geht entweder leer aus oder wird mit Almosen abgespeist“, so Daniela Freyer.
Trophäenjäger haben es nicht nur auf seltene Arten abgesehen, sie konkurrieren auch um den Abschuss der grössten und stärksten Individuen. Diese widernatürliche Auslese hat fatale Auswirkungen, weil die erfahrensten Tiere im besten Fortpflanzungsalter fehlen, die für das Überleben eines Bestandes besonders wichtig sind.
Bei der Jagd im Ausland kommen auch Methoden zum Einsatz, die hierzulande verboten sind. Jäger dürfen Tiere mit Pfeil und Bogen, Armbrust oder Vorderlader töten, sie mit Hunden hetzen, mit Fahrzeugen verfolgen oder Raubkatzen mit toten Tieren anködern. In Südafrika ist es nach wie vor erlaubt, Löwen und andere Tiere zu züchten, von Hand aufzuziehen und die ausgewachsenen Tiere in umzäunten Gehegen von Trophäenjägern abschiessen zu lassen (sogenanntes „canned hunting“ oder Gatterjagd). Bis zu 10.000 Löwen vegetieren dort in Jagdfarmen.
Hintergrund:
- Hobby-Jäger aus Deutschland und Spanien gehören bei der Jagd auf gefährdete und geschützte Arten nach den US-Amerikanern zu den Spitzenreitern. Alleine in Afrika gehen pro Jahr rund 18.000 Ausländer auf Trophäenjagd und töten dabei mehr als 100.000 Wildtiere.
- Jährlich werden Jagdtrophäen hunderter gefährdeter und international geschützter Tiere nach Deutschland importiert.
- Sogar streng geschützte Arten, die nicht kommerziell gehandelt werden dürfen, können mit behördlicher Genehmigung als Trophäen für den „Privatgebrauch“ eingeführt werden.
- Einer repräsentativen Meinungsumfrage zufolge lehnen 86 Prozent der Bevölkerung in Deutschland die Hobbyjagd auf bedrohte Tierarten ab. In den Niederlanden ist die Einfuhr von Trophäen bedrohter Arten verboten, in Frankreich gilt dies zumindest für Löwen. Die Regierung von Großbritannien plant derzeit ebenfalls ein Verbot.
Aussteller bieten Abschüsse von Turteltauben, Papageientauchen und Singvögeln an
Vogelschützer kritisieren, dass der Veranstalter Messe Dortmund GmbH auch Firmen eine Plattform auf der Messe „Jagd und Hund“ bietet, die Abschüsse bedrohter Zugvögeln wie Turteltauben – Vogel des Jahres 2020 -, Wachteln und Singvögeln in Südeuropa oder dem Balkan im Programm haben. Wie das Komitee gegen den Vogelmord (CABS) mitteilt, haben Biologen in den letzten Wochen das Ausstellerverzeichnis der Messe ausgewertet und sind dabei auf insgesamt acht Unternehmen gestoßen, die das Töten europäischer Zugvögel gegen Entgelt zum Geschäftsmodell gemacht haben.
So bieten zum Beispiel die drei Reiseveranstalter „Absolute Hunting & Wingshooting“ (Standnummer in Dortmund: 7.D40), „Diana Hunting Tours“ (Stand 7.E16) sowie „Merle Jagdreisen“ (Stand 7.C04) Abschüsse von ziehenden Turteltauben – dem Vogel des Jahres 2020 – in Rumänien und Serbien an. Das französische Unternehmen „Séjour Chasse“ (Stand 7.D22) offeriert zahlungskräftigen Kunden die Gelegenheit, im Herbst in Frankreich auf Amseln und Drosseln oder in Russland auf seltene Doppelschnepfen zu schießen. Wer lieber in der Nähe von Madrid auf durchziehende Singvögel schießen oder in Armenien auf Uferschnepfen zielen möchte, wendet sich an die Firma „ICC Hunting Pleasure“ (Stand 7.F28).
Mit der Jagd auf wilde Wachteln auf dem Balkan werben gleich mehrerer Aussteller, darunter die deutschen Firmen „K&K Premium Jagdreisen“ (Stand 7.D48) sowie „Merle Jagdreisen“ (Stand 7.C04). Das letztgenannte Unternehmen verlangt 1.150 Euro für ein viertägiges „Jagdarrangement Wachteljagd“ in Rumänien und wirbt damit, dass Jäger mit dem Abschuss von 40 wilden Wachteln pro Tag und Jäger rechnen können. Für Jäger, die in Island seltene Meeresvögel töten möchten, hat die niedersächsische Firma „Malepartus Jagdreisen“ (Stand 7.F70) das passende Angebot im Programm. Für pauschal 1.040 Euro kann man – bei eigener Anreise – zwei Tage lang vom Boot aus auf Papageientaucher, Eissturmvögel und Lummen schießen. Ebenfalls angeboten wir die Jagd auf Bekassinen in Irland und Schottland, die zum Beispiel in den Katalogen der Firmen „Blaser Safaris“ (Stand 7.E02) oder „Diana Hunting Tours“ beworben werden.
Turteltauben, Wachteln und Bekassinen haben in den letzten Jahren in weiten Teilen der EU stark abgenommen und werden in Deutschland und seinen Nachbarländern mit großem Aufwand geschützt, so das Komitee. „Der Abschuss gefährdeter Zugvögel macht aufwendige Schutzprojekte in den Brutgebieten zunichte, beschleunigt den Rückgang dieser Arten und kann niemals nachhaltig sein“, so Komitee-Geschäftsführer Alexander Heyd. Das Komitee hat der Messe Dortmund GmbH deshalb heute schriftlich empfohlen, sich von den betroffenen Ausstellern auf der Messe „Jagd und Hund“ zu trennen. Auch der Landesjagdverband NRW (Standnummer 6.B30), der offiziell als „Ideeller Träger“ der Messe fungiert, wurde aufgefordert, sich eindeutig von der Jagd auf gefährdete Zugvögel zu distanzieren und die Forderung nach Ausschluss der acht Aussteller von der Messe zu unterstützen.