Jagd

Alpengämse: Durcheinander beim Management

Neue Studie zeigt: Österreich und Deutschland fallen beim europaweiten Gamsmanagement durch.

Nationale Alleingänge sind im vereinten Europa leider Alltag – das macht nicht erst die Covid-19-Krise deutlich. Auch auf den Umgang mit Wildtieren, die unter besonderem EU-Schutz stehen, trifft das zu. Ein gutes Beispiel dafür ist die Alpengämse. Sie steht unter dem besonderen Schutz der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU und ist obendrein in der Berner Konvention aufgeführt.

Die Alpen-Anrainerstaaten in der EU sind daher verpflichtet, den Zustand ihrer Gamspopulationen regelmässig zu erheben und zu bewerten. Erst bei einem günstigen Erhaltungszustand der Populationen darf die Gämse gejagt werden.

Eine gemeinsame Studie der Deutschen Wildtier Stiftung und des Internationalen Rates zur Erhaltung der Alpengämse zeigt nun: Zwischen den einzelnen Staaten des Alpenraumes gibt es erhebliche Unterschiede beim Monitoring und Management ihres gemeinsamen Schutzgutes, der Alpengams. „Während Frankreich, Italien und Slowenien den Erhaltungszustand der Gämse durch ein aufwendiges Monitoring der lebenden Gamspopulation abschätzen, melden Deutschland und Österreich einfach nur die Zahl der abgeschossenen Tiere an die EU„, kritisiert Hilmar Freiherr von Münchhausen, Geschäftsführer der Deutschen Wildtier Stiftung. „Daten und Analysen zur Alters- und Sozialstruktur der Gamsbestände werden völlig außer Acht gelassen, obwohl gerade diese Angaben eine professionelle jagdliche Nutzung auszeichnen.“

Bei der Planung jagdlicher Eingriffe werden die Unterschiede noch deutlicher: In fast allen EU-Ländern wird die Abschusshöhe unter Berücksichtigung biologischer Daten wie der natürlichen Wintersterblichkeit festgesetzt; in Bayern wird die Abschusshöhe lediglich am Zustand der Waldvegetation abgeleitet. „Die mangelhafte Umsetzung der EU-Vorgaben gipfelt in Bayern in der Ausweisung von Gebieten, in denen die Alpengämse gar keine Schonzeit mehr hat“, so Münchhausen. Dabei weisen Untersuchungen der Deutschen Wildtier Stiftung darauf hin, dass die Gamsbestände in Bayern viel zu intensiv bejagt werden. Damit ist ihr Erhaltungszustand in Deutschland nicht günstig und die Zukunftsaussichten sind düster.

Die Deutsche Wildtier Stiftung und der CIC fordern daher ein umfassendes Monitoring der Gämse in Bayern, keine lokale Verlängerung von Jagdzeiten und die Ausweisung von Gebieten mit Jagdruhe, damit sich die Populationen regional wieder erholen können.

Alpengämse in der Schweiz

Die Entwicklung der Gamsbestände in der Schweiz ist wahrscheinlich im Vergleich zu anderen Alpenländern am genauesten untersucht. In einem langfristigen Überblick scheinen die Gamsbestände, so wie sie von den dafür zuständigen Wildhütern in den einzelnen Kantonen gezählt werden, seit 40 Jahren stabil zu sein. Zwischen den Kantonen gibt es jedoch teilweise deutliche Unterschiede, die nicht allein auf eine andere Methodik oder Datenerfassung zurückgehen können.

Die Auswertung auf kantonaler Ebene macht jedoch deutlich, dass die Trends in den verschiedenen Kantonen – unabhängig vom Jagdsystem – durchaus unterschiedlich sind. Die Abbildung 15 aus IMESCH (2015) zeigt die Trends im Detail auf und benennt die möglichen Ursachen. Neben einer Überbejagung kommen auch Krankheiten, Störungen, Lebensraumverlust und Prädation vor allem durch den Luchs zum Tragen. Die Methoden zur Bestandeserhebung schliessen neben Zählungen und Schätzungen durch Wildhüter, teilweise zusammen mit Jägern, nur in einigen Kantonen (Wallis, Waadt, Schwyz) weitere Datenerhebungen ein (z. B. Kohortenanalyse).

Alpengämse: Durcheinander beim Management
Abb. 15: Einschätzung der Bestandsentwicklung in schweizerischen Kantonen; Angaben: 1) Bezeichnung betrachteter Wildraum, Jagdgebiet, 2) Funktion der beurteilenden Person, 3) möglicher Gründe für die beobachtete Entwicklung (Quelle: IMESCH 2015).

Im Schweizer Nationalpark im Engadin wird seit über 100 Jahren nicht mehr gejagt und dort ist der Gamsbestand seit 1920 konstant um die 1’350 Stück.

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