Indemini – Am 07. März 2018 fand im EU-Parlament in Brüssel eine Konferenz zum Thema „Koexistenz mit grossen Karnivoren in der EU“ statt, um die verschiedene Lösungen und Strategien der Mitgliedstaaten zu beleuchten und ein Zusammenleben der sogenannten Raubtiere und der Menschen zu erreichen.
In der Veranstaltung wurden die Hindernisse und Herausforderungen erörtert, denen EU-BürgerInnen und vor allem betroffene LandwirtInnen im Zusammenhang mit steigenden Wolfspopulationen gegenüberstehen, teilt der Politiker Stefan Bernhard Eck mit.
Bei dieser gut besuchten Konferenz, zu der neben der Präsidentin der Intergroup on the Welfare and Conservation of animals, MdEP Sirpa Pietikäinen, in Zusammenarbeit mit der „Humane Society International“, der „Eurogroup for Animals“ und „Luonto-Liiton Susiryhma“ eingeladen hatten, sprachen Humberto Delgado-Rosa (Direktor DG ENVI), Mervi Laaksonen (The Wolf Action Group), Dr. Guillaume Chapron (Professor und Experte für den Schutz grosser Karnivoren) und weitere VertreterInnen verschiedener Organisationen.
Besonders hervorzuheben ist das Statement des Vertreters der EU-Kommission, der sinngemäss die Frage aufstellte: „Wie sollen wir afrikanischen Ländern nahelegen können, dass sie ihre Raubtiere, wie beispielsweise Löwen, zu schützen haben, wenn wir nicht einmal die eigenen karnivoren Wildtiere schützen wollen?“
Passend dazu fand am Vortag den 6. März 2018 im EU-Parlament eine Konferenz zum Thema Trophäen- und Wildtierjagd in Afrika statt, zu der MdEP Karl-Heinz Florenz (EVP-Fraktion), Präsident der Intergruppe Biodiversität, Jagd und Natur, in Koordination mit dem Verband der Jagd- und Naturschutzverbände der EU (FACE), dem Internationalen Rat für Wildtier- und Wildtierschutz (CIC), der Europäischen Landbesitzerorganisation (ELO) und dem Safari Club International (SCI) eingeladen hatte.
Laut Bekanntmachung sollte das Ziel des Treffens sein, EntscheidungsträgerInnen aus Europa und Afrika mit Interessenvertretern aus anderen Bereichen zusammenzubringen und um die Führung afrikanischer Länder bei der Bewirtschaftung und Erhaltung ihrer Wildtiere zu sowie die Rolle der lokalen Gemeinschaften bei diesem Management und Naturschutzaktivitäten besser zu verstehen.
Nachdem MdEP Florenz, der Botschafter Namibias, die Umweltministerin von Südafrika (per Video-Botschaft) und andere geladene Personen sich zu dem Thema geäussert hatten, kam der EU-Abgeordnete Stefan Eck zu Wort.
Er hob hervor, wie wichtig es sei, die Wildtiere konsequent vor den Wilderern zu schützen und dem illegalen Wildtierhandel entschieden den Kampf anzusagen, damit auch künftige Menschengenerationen den Artenreichtum an Wildtieren in Afrika erleben können. Stefan Eck betonte hierbei, dass der Schutz der Arten auch deshalb so wichtig sei, weil man mit keinem Geld der Welt eine einmal ausgestorbene Art wieder zurückholen könne.
Weiter führte er aus, dass die EU ein Drehkreuz für den Handel von illegal gejagten Tieren bzw. Trophäen sei und wie wichtig es ist, den Dialog zwischen der EU und Afrikas Staaten zu diesem Thema zu intensivieren. Abschliessend hob MdEP Eck hervor, dass – was oft unerwähnt bleibt – die Wildtiere nicht nur durch die Wilderei bedroht würden, sondern auch mehr und mehr durch die Auswirkungen der Klimaerwärmung.
Es bleibt zu hoffen, dass die EU-Kommission auch weiterhin hinter dem Schutz des Wolf steht und sich nicht von den konservativen und rechtskonservativen Kräften in diesem Parlament unter Druck setzen lassen wird.
Dr. Joanna Swabe, von der Human Society International sagte: “Es ist wichtig zu akzeptieren, dass wir unser Lebensumfeld mit Wölfen, Bären und anderen Beutegreifern teilen und erkennen, dass Menschen eine grössere Bedrohung für diese Tiere darstellen, als anders herum. In einigen Regionen erholen sich grosse Karnivorenpopulationen endlich, nachdem sie in der Vergangenheit verfolgt, getötet oder sogar vollständig ausgerottet wurden. Lebensraumverlust und der Mangel an natürlicher Beute können unter anderem Arten wie Wölfe in Konflikt mit den Menschen bringen, da sie ungeschützte Nutztiere erlegen können. Während solche Verluste für die Landwirte sicherlich verheerend sind, ist das Töten von geschützten Beutegreifern keine wünschenswerte oder nachhaltige Lösung. Wir müssen bessere Möglichkeiten entwickeln, um solche Wildtierkonflikte wirksam zu mildern und langfristig mit großen Fleischfressern zusammen zu leben. “
Hintergrund der Studie
Die Abteilung „Bürgerrechte und konstitutionelle Angelegenheiten” des Europaparlaments hat vor den obig genannten Konferenzen eine neue Studie ausgearbeitet, welche die rechtlichen Rahmenbedingungen für grosse Beutegreifer – Braunbären (Ursus arctos), Eurasischer Luchs (Lynx lynx), Wolf (Canis lupus), Vielfrass (Gulo gulo) – und den Umgang mit diesen Tieren in der EU analysiert. Dazu wurden Methoden des Zusammenlebens und der entsprechenden Ausnahmen erforscht.
[toggle title=”Original Studie” load=”hide”]Large Carnivore Plan EU Member States[/toggle]
Anders als die USA, Kanada oder Russland sind die EU-Mitgliedsstaaten dicht besiedelt, dagegen fehlen grosse Flächen, welche den Schutz grosser Raubtiere wie Braunbär (Ursus arctos), Luchs (Lynx lynx), Wolf (Canis lupus) und Vielfrass (Gulo gulo) erleichtern würden. Diese Arten benötigen aufgrund ihrer Eigenheiten grosse Landstriche, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen, so dass sich ihre Lebensbereiche oft mit jenen der Menschen überschneiden. So leben zum Beispiel grosse Raubtiere in den Bergen, in denen mediterrane Schafe grasen, sowie in der Tundra im Norden, wo es Rentierherden gibt.
Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass es zu Konflikten zwischen menschlichen Aktivitäten und dem Schutz von Raubtieren kommt, wenn sich diese an Nutztierherden gütlich tun. Früher lebten gab es in Europa eine gute Koexistenz von Mensch und Raubtier, die Nutztiere wurden geschützt. Im letzten Jahrhundert gab es jedoch einen fundamentalen Wandel. Der zunehmende Einsatz von Schiesswaffen und Gift führte in mehreren europäischen Ländern zu einem historischen Rückgang oder gar zur Ausrottung grosser Raubtierpopulationen.
1979 wurde ein wegleitendes Instrument erarbeitet: Das Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wilder Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume – die sogenannte Berner Konvention.
Auf nationaler Ebene folgten weitere Initiativen, und 1992 wurde die Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen verabschiedet.
Mit diesem Instrument und der Berner Konvention sind heute grosse Raubtiere geschützt. Das bedeutet, dass es für den Abschuss dieser Tiere und für Ausnahmen vom Schutz in bestimmten Situationen eine Begründung braucht.
Im letzten Jahrhundert gingen die herkömmlichen Methoden der Koexistenz vergessen und die Landwirtschaft erfuhr einen grundlegenden Wandel. Das beeinflusste die Menschen auch in ihrer Wahrnehmung der Bedrohung durch grosse Raubtiere.
Zwar ist die Zahl der grossen Raubtiere heute viel tiefer als früher, trotzdem verlangen viele Interessenvertreter Abschussquoten für geschützte Arten, obwohl es bessere vorbeugende Alternativen gibt.
Auf der Grundlage dieser Studie soll die EU einen rechtlichen Rahmen für den Umgang mit Grossraubtieren erhalten. Es werden vorbeugende Massnahmen vorgelegt, um die Konflikte zwischen Mensch und Raubtier zu reduzieren.
Einige Arten sind in der EU streng geschützt, und für diese muss der Abschuss begründet werden. Die Wissenschaft hat aufgezeigt, dass das Töten der Tiere wenig oder keinen Einfluss hat oder sogar kontraproduktiv ist, ausser die Zahl der Wildtiere wird so stark reduziert, dass es nicht mehr mit der Habitat-Richtlinie vereinbar ist.
Die Idee, die Zahl von rechtlich geschützten Leittieren unter Kontrolle zu halten, ist wegen deren ökologischen Relevanz nicht haltbar. Diese Tiere haben einzigartige Eigenschaften, dank denen die Regulierung der Tierbestände automatisch geschieht. Diese wichtigen Eigenschaften können durch das Jagen und Ausrotten schwer beeinträchtigt werden.
Zudem ist der Schutz von Nutzieren am besten geeignet, um Konflikte zu verhindern. Insbesondere sollten die Landwirte unterstützt werden, die am stärksten von der Präsenz von Grossraubtieren betroffen sind. Alle Beteiligten sollten angehört werden, damit eine Einigung über einen akzeptablen Umgang mit den Wildtieren zustande kommt.
Und schliesslich sollten die EU-Mitgliedstaaten die Wissenschaft vermehrt finanziell unterstützen, um all diese Ziele zu erreichen, damit der Schutz der Grossraubtiere und damit die Nachhaltigkeit aller Massnahmen gewährleistet werden kann.