Das Imkerpaar Sebastian und Camille Seusing hatte seine Bienenvölker seit Mai 2018 an einem
Waldrand im Landkreis Barnim aufgestellt.
Im April 2019 fanden die Bienen auf dem angrenzenden Feld einen reich gedeckten Tisch vor: Der Löwenzahn stand in voller Blüte. Der Pächter des Feldes, eine von niederländischen Investoren geführte Landwirtschaftsgesellschaft, besprühte den Löwenzahn mit Glyphosat, um das Feld für den Maisanbau vorzubereiten. Seusings Bienen sammelten weiter mit Glyphosat besprühten Blütenpollen und Nektar, bevor der Löwenzahn nach zwei Tagen abstarb. Laboranalysen des Honigs ergaben, dass die zulässigen Rückstandshöchstmengen für Glyphosat bis zu 152-fach überschritten wurden. Imker Seusing musste gleich tonnenweise Honig entsorgen, weil dieser nicht mehr verkehrs- und verzehrfähig war. Aufgrund der wirtschaftlichen Schäden hat Seusing seinen Familienbetrieb mittlerweile aufgegeben.
Pestizide dürfen auf dem Acker nur so eingesetzt werden, dass die geltenden Rückstandshöchstgehalte in Honig eingehalten werden. Deshalb weist der Pflanzenschutzdienst des Landes Brandenburg die Landwirtinnen seit Jahren darauf hin, dass zur Vermeidung von Rückständen im Honig der Einsatz glyphosathaltiger Herbizide auf blühende Pflanzen unterbleiben sollte. Dennoch kommt es immer wieder zu vergleichbaren Schäden.
Landwirtinnen müssen für Schäden aufkommen, die sie durch den Einsatz von Pestiziden verursachen. Das hat das Landgericht Frankfurt (Oder) am 20.6.2022 in einem richtungsweisenden Urteil entschieden.
Es hat einem Imker Schadensersatzansprüche gegen eine Landwirtschaftsgesellschaft zugesprochen, weil sein Honig wegen Glyphosateinträgen vernichtet werden musste. Wie das Landgericht damit bestätigt, ist die beklagte Landwirtschaftsgesellschaft für die Folgen ihres Glyphosateinsatzes voll verantwortlich.
Dr. Georg Buchholz, Anwalt von Imker Sebastian Seusing, erklärt hierzu: “Das Gericht hat heute klargestellt, dass diejenigen, die Pestizide einsetzen, dafür sorgen müssen, dass dadurch kein Schaden
entsteht. Imkerinnen und Verbraucherinnen müssen sich darauf verlassen können, dass die
Honigproduktion nicht durch den Einsatz von Pestiziden unmöglich gemacht wird. Das schreibt auch
das Pflanzenschutzmittelrecht so vor. Es ist deshalb nur konsequent, dass Imkerinnen Schadensersatz einfordern können, wenn Pestizidrückstände die zulässigen Grenzwerte überschreiten. Letztlich kann die Rückstandsfreiheit des Honigs nur gewahrt werden, wenn keine Pestizide auf blühende Pflanzen ausgebracht werden. In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht deutlich gemacht, dass die Landwirtschaft notfalls auch einen Mehraufwand in Kauf nehmen muss, um einen Totalschaden für Imkerinnen zu vermeiden.“
Thomas Radetzki, Vorstand der Aurelia Stiftung, kommentiert: “Das heutige Urteil hat eine wichtige
Signalwirkung, die weit über Brandenburg hinausreicht. Bisher bleiben Imkerinnen meist auf ihren Schäden sitzen, wenn ihr Honig durch Agrarpestizide verunreinigt und vernichtet werden muss. Die Tatsache, dass Landwirtinnen für Schäden durch Pestizide zur Haftung herangezogen werden können,
hilft hoffentlich dabei, dass derartige Schäden seltener auftreten. Die Aurelia Stiftung setzt sich zum
Schutz der Wild- und Honigbienen sowie der Imkerschaft seit Jahren für ein bundesweites Verbot von
Pestizidspritzungen in blühende Pflanzenbestände ein.“