Kunterbunt

Umweltskandal im Nationalpark

Der Nationalpark will eine Sanierung der kompletten Fliessstrecke des verseuchten Spöls und erhebt Beschwerde.
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Im September 2016 liess die Engadiner Kraftwerke AG (EKW) Korrosionsschutzarbeiten an der Staumauer Punt dal Gall oberhalb Zernez durch eine spezialisierte Drittfirma ausführen.

Bei diesen, durch die Drittfirma ausgeführten Arbeiten gelangte giftige Rostschutzfarbe durch ein Leck in der Baustellenabdichtung ins Innere der Staumauer und von dort weiter in den im Nationalpark gelegenen Spölbach. Die hochgiftigen Chemikalien verteilen sich entlang der 5.75 Kilometer langen Gewässerstrecke. Sie konnten im Wasser, im Sediment und in Fischen nachgewiesen werden.

Das am stärksten mit PCB belastete, 60 Meter lange Tosbecken direkt unter der Staumauer wurde im Jahr 2017 umfassend und erfolgreich saniert.

Massiv verseuchter Uhu

Vier Jahre später, am 20. September 2020, hat ein Mitarbeiter des Schweizerischen Nationalparks (SNP) im Spöltal ein totes Uhu-Weibchen gefunden. Der SNP hat den Kadaver an das Veterinärmedizinische Institut der Universität Bern geschickt, wo das Fettgewebe herauspräpariert wurde. Die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) hat das Gewebe analysiert und eine enorme PCB-Belastung von über 550 Milligramm i-PCB pro Kilogramm Körperfett gemessen. Dies entspricht einer Gesamtmenge an PCB von rund einem Gramm pro Kilogramm Körperfett. Gemäss Dr. Ruedi Haller, Direktor des Nationalparks, ist dieser Wert exorbitant hoch. Dies entspricht dem Tausendfachen des durchschnittlichen Wertes bei Menschen. Solche Konzentrationen sind für Mensch und Wildtiere krebserregend, schädigen die Fortpflanzung, den Hormonhaushalt, die Knochenbildung sowie das Blut und führen zu chronischen und tödlichen Vergiftungen.

Grenzwerte um das Tausendfache überschritten: Totes Uhu-Weibchen im Spöltal.

Kämpfen gegen Verfügung

Der Kanton Graubünden verlangt in einer Verfügung, dass die Kraftwerke die Sanierung planen, ausführen und finanzieren. Den Engadinger Kraftwerken geht diese Forderung zu weit. Dabei verweisen sie auf ein hängiges Strafverfahren gegen den Verantwortlichen der Korrosionsschutzfirma, welche die Gewässerverschmutzung zu verantworten habe.

Der mit dem krebsauslösenden Baustoff PCB verseuchte Nationalpark-Bach müsse schnellstens gereinigt werden, ansonsten drohe die Verseuchung der kompletten Nahrungskette. «Es ist dramatisch», sagte Heidi Hanselmann, Präsidentin des Stifungsrats des Nationalparks, an einer Medienkonferenz. Es sei dringendes Handeln notwendig, es handel sich um die schlimmste Verseuchung im Alpenraum.

Der Nationalpark erklärte zudem, dass die PCB-Vergiftung im Spöl nur zu 15 % auf den Unfall im Herbst 2016 zurückzuführen sei. Die anderen 85 % der Verseuchung seien seit 1970 durch den laufenden Betrieb der Kraftwerke verursacht worden.

Nun gaben auch die Umweltverbände Pro Natura Graubünden, der WWF Graubünden und Aqua Viva bekannt, dass sie gegen die Sanierungsverfügung Beschwerde einlegen. Auch sie fordern die Sanierung der gesamten Fliessstrecke des oberen Spöls und des Druckstollens. Die Behörden würden den verseuchten Nationalparkfluss nur halbherzig sanieren wollen, schrieb die Pro Natura.

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