Bildung

Jägerinnen unter Jägern

Eine solche Form absoluter Gewalt wird dabei jedoch in Mitteleuropa seltener mit Frauen in Verbindung gebracht.
Pinterest LinkedIn Tumblr

Die Anzahl der Jäger, aber auch die der Jägerinnen stetig steigt: Die Jagd würde weiblicher werden, heißt es. Eine Forschungsarbeit aus dem Jahr 2016 beschäftigte sich mit der Rolle der Frau in der Jagd und förderte dabei Erstaunliches zutage.

Mit ihrer Fallstudie „Ethnografisch informierte Rekonstruktion männlicher Herrschaft im Feld Jagd“ hat die Studentin an der Universität Innsbruck, Ulrike Schmid, ein eher ungewöhnliches Thema für ihre Masterarbeit gewählt. Sie geht hierin der Frage nach, was offenbar immer mehr Frauen in die Jagd zieht und welche Rollen sie dort einnehmen. Die Arbeit basiert auf dem Hintergrund der gesellschaftstheoretischen Konzepte (u.a. Habitus, Feld und Kapital) des französischen Soziologen Pierre Bourdieu (1930-2002). Hiernach stellt sich die Jagd, als Teilbereich der Gesellschaft, als ein Feld dar, in dem z.T. eigene Wertvorstellungen und Regeln sowie auch eine eigene Sprache vorherrscht (gleiches findet sich z.B. auch in der
Kunst, der Medizin oder auch den Medien). Innerhalb dieser Felder handeln so genannte Akteure, die mit bestimmten Kapitalsorten ausgestattet sind. Dabei kann es sich rein um ökonomisches Kapital sowie um soziales Kapital wie Netzwerke, aber auch symbolisches Kapital wie die Zugehörigkeit zu einem namhaften Familiengeschlecht handeln. Wenig überraschend ist freilich, wer über das meiste Kapital verfügt, hat die beste bzw. oft auch die mächtigste Position im Feld. Allerdings ist jeder Akteur und jede Akteurin stets (oft unbewusst) bemüht, die eigene Stellung im Rahmen sozialer „Kämpfe“ zu konsolidieren bzw. zu optimieren. Darüber hinaus liegt dem die Annahme zugrunde, dass viele dieser gesellschaftlichen Bereiche männlich geprägt und/oder beherrscht sind, wobei jeweils «das Männliche» das Beherrschende und «das Weibliche» das Beherrschte darstellen.

Schmid suchte mittels ihrer Studie zunächst zu klären, was Frauen tatsächlich motiviert, aktiv zu jagen. Schließlich steht am Ende der (erfolgreichen) Jagd immer der Tod des Tieres, mitunter auch der eines hochbeschlagenen Tieres, wie die erst kürzlich veröffentlichte Treibjagd in Fontanella traurig belegt (Wild beim Wild informierte). Ihr Erhebungsgebiet umfasste eine kleine Bergregion in Österreich, in der insgesamt 24 Personen befragt wurden. 12 davon waren weibliche Jäger. Im Rahmen dieser Interviews kamen zudem weitere, vielfältige Herausforderungen ans Licht, denen sich die Jägerschaft auf verschiedensten Ebenen zu stellen hat.

Jagd als umstrittenes Hobby

Grundsätzlich blickt die Jagd auf eine lange Vergangenheit mit ereignisreicher Geschichte zurück. Sie ist dabei als ein Teil der kulturellen Evolution evident, jedoch kann und wird ihre gegenwärtige Notwendigkeit vor allem mit Blick auf schwindende Lebensräume für Mensch und Tier einerseits ökologisch bezweifelt sowie andererseits die Ausübung der Jagd als umstrittenes Hobby aus (tier)ethischer Perspektive zunehmend in Frage gestellt. Die Jägerschaft antwortet darauf mit dem ihrerseits ökologisch begründeten Argument, als Ersatz für fehlende Beutegreifer die Wildtiere auf ein für die Natur „verträgliches Maß“ reduzieren zu müssen, auch um damit ökonomische Verluste insbesondere für die Forstwirtschaft zu glätten. Das Töten der Wildtiere gehört hier zwangsläufig dazu.

Veröffentlichungen und Studien, die belegen, dass „die Regulation von frei lebenden Tierbeständen durch die Jagd nicht funktioniert und auch nicht nötig ist“, finden dabei aber offenbar sowohl im Feld der Jagd selbst, als auch in den angrenzenden gesellschaftlichen Feldern der Politik sowie der Forst- und Landwirtschaft nur marginale bzw. gar keine Beachtung. Das (oftmals hochsoziale und empfindungsfähige) Wildtier an sich verschwindet aus dem bewussten Anblick und emulgiert in eine diffus-ambivalent erscheinende Beziehung zum dominanten «Raubtier»Mensch: einerseits ehrfürchtig romantisiert, andererseits als «schädlicher» Konkurrent stigmatisiert.

Schlächter der Behörde und Killer vom Forst

Jagende bzw. der überwiegende Teil der Jagenden in Österreich sind prinzipiell dem „Diktat“ der Behörde unterworfen, d.h. verschiedene Interessensgruppen entscheiden über Leben und Tod der Wildtiere. Jägerinnen und Jäger können dabei im Hinblick auf jagdliche Strategien und Taktiken jedoch mehr oder weniger autonom agieren. Der Jäger verfügt meist innerhalb eines von der Behörde vorgeschriebenen Rahmens (Mindestabschuss/Höchstabschuss) über Art, Geschlecht und folglich Anzahl der zu tötenden Tiere. Wenngleich der Jagende am Ende den finalen Schuss abgibt, so sind es doch zuvor viele, in der Regel männliche Interessensvertreter, die über Leben und Tod entscheiden. Die Tötungsvorschreibung durch die Behörde kann demnach bedeuten, lediglich ein Tier pro Jagdjahr zu töten oder aber 100 bzw. noch mehr.

Eine exklusiveFreizeitbeschäftigung

Zur Nahrungsbeschaffung ist die Jagd kaum mehr zeitgemäß und stellt daher, abgesehen von den wenigen österreichischen Berufsjägern, derzeit für die überwiegende Anzahl der Jagenden hauptsächlich eine exklusive Freizeitbeschäftigung dar, in deren Kontext die Tötung von Tieren legitimiert ist. Das Töten und Essen von Tieren kann dabei aber wohl als mehrheitlich akzeptierter und gebilligter Konsens bezeichnet werden. Dieser Einsatz ist dabei ein Aufwand, der von den Jagenden geleistet wird, allerdings kaum von allen anderen Mitgliedern der Gesellschaft gesetzt wird. Zudem wissen Jagende um die hochentwickelte Technik der Waffen sowie der generellen Überlegenheit ihrer technischen Ausrüstung. Ein Umstand, der in manchen Teilen der Gesellschaft sicher kritisch beäugt wird. Darüber hinaus kann mit dem Gebrauch von Waffen auch irreversible Gewalt assoziiert werden. Eine solche Form absoluter Gewalt wird dabei jedoch in Mitteleuropa seltener mit Frauen in Verbindung gebracht. Für das Wildtier ist es dabei natürlich völlig belanglos, ob es durch einen weiblichen oder männlichen Jäger getötet wird.

Das männliche dominierte„Spiel“ Jagd

Wenngleich die meisten Frauen in der Jagd vordergründig durch ihre männlichen Kollegen begrüßt werden, sind sie diesen doch – nicht nur zahlenmäßig – nachgestellt. Eine leicht abweichende Position haben Jägerinnen inne, die in jagdlichen Familien aufgewachsen sind.
Der Großteil der weiblichen Jagenden nimmt jedoch über den (Ehe)Partner am «Spiel» Jagd teil und verfügt nur sehr selten über gleichartige Netzwerke sowie private, politische und/oder geschäftliche Verbindungen und Beziehungen. Bei einer Trennung vom jeweiligen Jagdpartner ist dann auch die Jagd vorbei. Das bedeutet, Frauen partizipieren über einen und/oder «ihren» Mann an der Jagd. Während sie im Rahmen aktiver Mitarbeit für die Jägerschaft als Organisation meist in journalistischen/redaktionellen und/oder organisatorischen Tätigkeitsbereichen eingesetzt werden, sind sie darüber hinaus auch in verschiedenen anderen Rollen zu finden: z.T. als (vermeintlich) ebenbürtiger Jagdkumpan, als gelegentliche Jagdbegleiterin, als Mitpächterin (teils pro forma), Gesellschafterin, Köchin und/oder (bedingungsloser) Bewunderin männlicher Jagderfolge. Von innerstrategischer Mitsprache sind sie jedoch meist ausgeschlossen, es sei denn sie verfügt qua Herkunft über das entsprechende Kapital oder Eigenschaften, die nützlich sind. Darüber hinaus kommt es für viele Frauen aber auch gar nicht in Betracht, den arrivierten männlichen Kollegen gegenüber weisungsbefugt zu sein. Viele jagende Frauen finden sich daher in den ihnen zugedachten Positionen zufrieden ein. Sie gewichten vor allem ihren subjektiven Benefit als (privilegierte) Teilhabende hoch. Viele von ihnen erfahren demnach eine gänzlich andere Form der „Ehrung“ und werden durch männliche Etablierte für ihre erbrachten jagdlichen Leistungen z.B. in Form treffsicherer bzw. weidgerechter Schüsse, korrektem Ansprechen oder dem eigenhändigen Bergen und Aufbrechen des Wildkörpers, belohnt. Nicht zuletzt scheint diese Art männlicher Anerkennung für Frauen auch einen fundamentalen Einfluss auf das Verbleiben im Feld auszuüben.

Jägerinnen Hubertusfeier in Vorarlberg, Quelle: vjagd.at

Dennoch ist (und bleibt) die Jagd männlich dominiert und sämtliche darin enthaltenen Wahrnehmungs- und Handlungsschemata sind andro- und anthropozentrisch geprägt. Demzufolge sind sowohl jagdliche Praktiken und Argumentationsformen über deren Legitimation, als auch explizierte Motivationen zu jagen bei Männern und Frauen nahezu identisch, denn die erzieherische und sozialisatorische Beziehung zwischen Jägerin und Jäger ist männlich strukturiert.

Die durch feministische Ansätze formulierten Annahmen, dass Frauen mitfühlender seien und deshalb von Seiten der Jägerinnen Bedenken oder Skrupel erwartet werden können, überhaupt Tiere zu töten, haben sich indes nicht bestätigt, obschon Frauen mehr darauf bedacht zu sein scheinen, keine Fehler zu machen.

Ulrike Schmid

Es ist hier allerdings sozialisationtheoretisch anzunehmen, dass sie sich als weibliche Jagende gegenüber den männlichen Kollegen kaum eine hohe Fehlerquote leisten können. Unterm Strich überlagert jedoch der Wert des individuell erfahrenen Gewinns den Akt der Tötung als letztlich irreversible Gewalt und macht Frauen so ein Stück weit zu Komplizinnen männlicher Herrschaft, deren Beherrschte sie vermittels erlernter Hilflosigkeit letztlich sind.

Abschließend räumt Schmid aber ein, dass ihre Arbeit, die Jagd bzw. die handelnden Akteure zu untersuchen, aus soziologischer Sicht lediglich eine Perspektive darstellt, in der viele Dimensionen und Ebenen, wie z.B. das Individuum selbst mitsamt seiner Biografie sowie seinen Eigenschaften und Neigungen, keine ausreichende Berücksichtigung finden konnten.

Einen Kommentar schreiben