Bildung

Menschen und Tiere: Eine schwierige Liebesgeschichte

„Als die Jagd begann, jagte nicht ein Mensch ein Tier.

Es war ein Wesen, das ein anderes Wesen jagte.“ So erzählt der italienische Essayist Roberto Calasso in seinem Buch „Der himmlische Jäger“ in wenigen Worten, wie alles begann: der Beginn unserer Geschichte, als Mensch und Tier noch keine getrennten Wesen waren, sondern gleichrangige Lebewesen, die gemeinsam staubige Prärien und dunkle Wälder teilten. Eine Zeit, in der Tiere Totems waren, aus denen wir Kraft schöpften, Manifestationen einer jenseitigen Dimension, heilige und göttliche Wesen, die – in Form von Sternbildern – sogar dem ewigen Chaos der Sterne Ordnung verleihen konnten. Heute haben sich die Dinge definitiv geändert. 12 Milliarden Hühner und zig Millionen Kühe, Schweine und Ziegen leben und überleben in der Massentierhaltung, und unser Planet scheint zu eng geworden zu sein für eine friedliche und respektvolle Koexistenz mit diesen uralten Gefährten von uns.

Die erste Schweizer Zeichnung, die im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich aufbewahrt wird, zeigt zwei Pferde auf einem Rentierhorn und ist 13’000 Jahre alt

Doch was geschah dazwischen, zwischen der Vorgeschichte und der heutigen Welt? Nun, es brach ein Krieg aus, dessen Schlachten alle vom Menschen gewonnen wurden. Ein Krieg, der manchmal sogar sanft und domestiziert war, aber dennoch ein blutiger Krieg, der mit Waffen und Tötungen geführt wurde, der Wälder abholzte, ausrottete und sogar ganze Tierarten auslöschte.

Massensterben

Das erste grosse Massensterben geht auf die Römerzeit zurück, als es den Antiken gelang, den in Nordafrika lebenden Atlaslöwen fast vom Erdboden verschwinden zu lassen, um ihn für Zirkusspiele zu verwenden. Aber auch in der Schweiz wurden in jüngerer Zeit ganze Tierpopulationen ausgelöscht: der Biber, der Fischotter, der Waldrapp – Tiere, die einst zahlreich in unseren Flüssen und Bergen lebten und wegen ihres Fleisches oder ihrer Haut ausgerottet wurden.

Oder die Huftiere wie Wildschweine, Hirsche, Gämsen und Rehe, die erst in den letzten Jahrzehnten wieder unsere Wälder bevölkern, aber seit Jahrhunderten verschwunden waren. Sogar der Luchs, der bereits im 18. Jahrhundert ausgerottet worden war und im darauffolgenden Jahrhundert von vielen sogar als legendäres Tier angesehen wurde.

Der Wolf

Der Mensch hat oft getötet, um zu überleben. Heute ist die Anwesenheit des Wolfs wieder in den Nachrichten präsent, aber einst terrorisierte er das ganze Land und brachte es in grosse Schwierigkeiten. Es gab keine Supermärkte, die Menschen lebten von dem, was ihre kleinen Parzellen hergaben. Und so konnte selbst eine gerissene Ziege für manche Familien ein Schaden sein und den Unterschied zwischen einem vollen Bauch und dem Verhungern ausmachen.

Die erste dokumentierte Wolfsjagd in unseren Breitengraden geht auf das Jahr 1487 zurück, als der Mailänder Herzog Gian Galeazzo Sforza Jäger auf den Monte Generoso schickte, um die Tiere auszurotten, die dort ihr Unwesen trieben. Im Jahr 1500, so berichtet ein Chronist, töteten Raubtiere in Lugano Dutzende Kinder. Im Jahr 1801 wurde in Stabio ein Junge bei lebendigem Leib verschlungen und das Mendrisiotto in Angst und Schrecken versetzt. Der Wolf ist so gefürchtet, dass er bei Hexenjagden zum Symbol des Teufels wird: Vom Teufel besessene Frauen reisen nicht auf Besenstielen, sondern reiten auf Wölfen, die auch von den Leichen Besitz ergreifen. In der Schweiz werden Dutzende Hexen hingerichtet, weil sie sich in Werwölfe verwandelt haben sollen.

Dieser Zürcher Druck zeigt einen Mann, der 1580 in Genf in der Gestalt eines Wolfes sechzehn Kinder getötet haben soll.

Symbole

Menschen und Tiere, die Geschichte einer komplizierten Beziehung. Aber auch eine Liebesgeschichte. Überlegen Sie einmal, wie viele Tiere Sie an einem Tag an beliebiger Stelle abgebildet sehen. Sie sind überall: in unseren Gemeinde- und Kantonswappen, in den Maskottchen der Mannschaften, die wir unterstützen, in den Logos vieler kommerzieller Marken, in der Werbung und in Karikaturen. Aber sie sind auch in unseren Sprüchen und Träumen zu finden. Der Mensch hat die anderen Lebewesen, mit denen er den Planeten teilt, schon immer benutzt, um sich selbst darzustellen. Nehmen wir das Beispiel von Bern. Was wäre die Stadt ohne ihre Bären? Sogar die Legende verbindet ihre Gründung mit einem Bären, als Herzog Berthold V. von Zähringen im Jahr 1191 beschloss, seine neue Stadt nach dem ersten erlegten Tier zu benennen.

Lebewesen unter Lebewesen

Noah erhielt die Aufgabe, die Tiere zu retten. Gott befiehlt dem Menschen, die Natur zu bewahren. Und nach Jahrhunderten der Ausrottung haben auch wir dies endlich begriffen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelang es den Schweizer Behörden, die seit Jahrhunderten ausgestorbenen Steinböcke in den Alpen wieder anzusiedeln, indem sie sie dem italienischen König entrissen. Heute sorgt die Rückkehr einiger Wildtiere für heftige Diskussionen und spaltet die Politik und die öffentliche Meinung in zwei Lager. Es ist schwierig zu wissen, was das Richtige zu tun ist. Es gibt viele unterschiedliche Empfindlichkeiten. Wichtig ist jedoch, dass wir uns dem Thema angesichts der Jahrhunderte und Jahrtausende alten Geschichte mit grossem Respekt nähern. Respekt und Dankbarkeit gegenüber den Tieren, unseren Weggefährten, die uns seit Anbeginn unserer Geschichte begleiten. Und in denen wir vielleicht wieder beginnen sollten, etwas Heiliges zu erkennen. Lebewesen, die unter anderen Lebewesen sind. Tierwesen und Menschenwesen, schreibt Jonas Marti auf rsi.ch.

Sie können mit Barmherzigkeit allen Tieren und unserem Planeten helfen. Wählen Sie Mitgefühl auf Ihrem Teller und in Ihrem Glas. Go Vegan.

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