Kunterbunt

Wildtierfellen: Pelz-Etikettenschwindel auf Kosten der Wildtiere

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Ein bundesweit einmaliges Projekt namens „Fellwechsel“ zur Verarbeitung von Wildtierfellen aus heimischer Jagd startet mit der Produktion.

Wir haben die vorläufige Betriebserlaubnis und fangen kommende Woche mit der Arbeit an“, sagte Geschäftsführer Frederik Daniels. In einer sogenannten Abbalgstation in Rastatt soll Füchsen, Stein- und Baummardern, Waschbären, Bisams und Nutrias das Fell abgezogen werden.

Von dort kommen die Felle zu Gerbereien und Kürschnern, die Kissen, Pelzkragen sowie Innenfutter für Jacken herstellen. Bislang wurden die Kadaver erlegter Tiere meist weggeworfen. Die Initiatoren sind der Deutsche Jagdverband (DJV) und der Landesverband Baden-Württemberg. Der Deutsche Tierschutzbund steht dem Projekt ablehnend gegenüber: Für die Pelze müssten Tiere leiden und sterben.

Wildtiermörder als tierschützende Pelzlieferanten?

Wildtierfellen: Pelz-Etikettenschwindel auf Kosten der Wildtiere
25.06.2018, Baden-Württemberg, Rastatt: Im Abbalgraum der Fellwechsel GmbH liegt ein tiefgefrorener Fuchs und Werkzeug zur Bearbeitung des Tieres auf einem Tisch.

Über dem Metalltisch baumelt eine Druckluftpistole, die beim Fellabziehen helfen soll. Ein Wetzstab zum Messerschärfen und ein sogenanntes Gekrösemesser mit abgerundeter Spitze liegen bereit. «Damit man ein Tier aufschneiden kann, ohne Organe wie Magen oder Darm zu verletzen«, erklärt Frederik Daniels, Leiter der Abbalgstation in Rastatt, wo Tieren – vereinfacht gesagt – das Fell über die Ohren gezogen wird. Um Fell und Pelz geht es bei «Fellwechsel», einem Projekt zur Nutzung von Fell aus heimischer Jagd.

Hobby-Jäger aus ganz Deutschland geben dafür seit Monaten erlegte Tiere in mehr als 260 Abgabestellen bundesweit gegen ein Entgelt ab. Von dort kommen die Kadaver von Stein- und Baummardern, Füchsen, Waschbären, Bisams und Nutrias tiefgefroren nach Rastatt. Die Abbalgstation nimmt nun kommende Woche den Betrieb auf.

Besseres «Gefühl» als bei Billigpelzen

Langfristig wollen die Betreiber rund hundert Tieren pro Tag das Fell über die Ohren ziehen und auf den Markt bringen. «Ab rund 7000 bis 10.000 Fellen pro Jahr rechnet sich das«, sagt Daniels. Das Geld für die Fellwechsel GmbH, eine Tochtergesellschaft des Jagdverbandes, soll aus Auktionen kommen, bei denen die Felle an Pelzhändler versteigert werden. Viel verspricht sich Daniels auch von eigener Vermarktung: «Fellwechsel»-Artikel sollen über den Online-Shop des DJV verkauft werden.

Wildtierfellen: Pelz-Etikettenschwindel auf Kosten der Wildtiere
Wildtiermörder

Ein Kunde der Abbalgstation ist die Blaser Jagdwaffen GmbH aus Isny im Allgäu. Sie verzichtet eigenen Angaben zufolge bewusst auf Importfelle und bietet im Herbst drei Jackenmodelle mit Pelz aus Rastatt an. «Eine sinnvolle und nachhaltige Verwendung natürlicher Ressourcen ist uns ein Anliegen«, sagt Blaser-Outfits-Chefin Simone Schmidt.

«Bislang wurden nur etwa zehn Prozent der Felle von Tieren aus der Jagd nachhaltig genutzt«, sagt DJV-Sprecher Reinwald. «Diesen Anteil wollten wir deutlich steigern.» Käufer von Pelzprodukten sollen dank «Fellwechsel» ein gutes oder zumindest besseres Gefühl haben als beim Erwerb von Billigpelzen.

Kein Verständnis bei Tierschützern

Tierschützer haben wenig Verständnis. Der Deutsche Tierschutzbund stehe dem Vorhaben ablehnend gegenüber, sagt Sprecherin Lea Schmitz. Die Jagd an sich füge Tieren schon unnötiges Leid zu. Zudem seien sogenannte Ökopelze «letztlich nur ein Etikettenschwindel auf Kosten der Tiere«. Denn auch für diese Pelze müssten Tiere sterben. Ausserdem würden etwa beim Gerben keinesfalls nur natürliche Stoffe eingesetzt, wie es auf der Webseite von Fellwechsel heisst.

Und überhaupt: Normalisiert man Pelz nicht durch das Tragen von Fellen in der Öffentlichkeit – so dass wiederum die Nachfrage nach Pelz steigen könnte? Menschen tragen Kleider – Tiere tragen Pelz.

Immerhin stammen in deutschen Wäldern erlegte Tiere aus freier Wildbahn und nicht aus Pelzfarmen in Ländern wie China oder Polen. Könnte «Fellwechsel» nicht helfen, den Verbrauch mit großem Tierleid erkaufter Pelze zu verringern? Der Deutsche Tierschutzbund bezweifelt das. Die meisten Kunden griffen weiter zu den günstigen Jacken mit Echtfellkragen oder Mützen mit Echtfellbommeln aus China und nicht zur teureren Jacke mit echtem Fuchsfell aus heimischen Gefilden, ist Sprecherin Schmitz überzeugt.

«Solange Verbraucher sich auf Billigware stürzen, hat Fell aus nachhaltiger Haltung keine Chance«, sagt auch DJV-Verbandssprecher Reinwald. «Fellprodukte von ‹Fellwechsel› werden keine Massenware werden.»

Pelz hat einen sehr schlechten Ruf – aus gutem Grund: In meist extra für das Luxusgut angelegten Farmen werden die Tiere häufig unter schlimmen Bedingungen gehalten, bevor ihnen qualvoll das Leben genommen und das Fell abgezogen wird. Heimliche Aufnahmen von Tierschützern sind nur schwer zu ertragen. Wer es versuchen will, kann sich dieses Peta-Video ansehen:

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